Im Rahmen seines Deutschlandbesuches äußerte sich der Dalai Lama auf einer Pressekonferenz am 14. September 2017 in Frankfurt auch zum Thema missbräuchliches Verhalten im Buddhismus. BUDDHISMUS aktuell Chefredakteurin Ursula Richard konnte ihm dazu eine Frage stellen. Der Dalai Lama hat damit auch vor dem aktuellen Hintergrund mehrerer Missbrauchsskandale im Buddhismus seine Aussagen aus den 1990er Jahren noch einmal unterstrichen und bekräftigt. Damals hatte er in einem intensiven Gespräch mit westlichen Dharma-Lehrenden ausführlich zu diesem Thema Stellung genommen.
Ursula Richard: Eure Heiligkeit, ich würde Sie bitten, ein paar Worte zum missbräuchlichen Umgang in buddhistischen oder religiösen Institutionen im Allgemeinen zu sagen und wie wir als Gesellschaft, als buddhistische Gemeinschaften damit umgehen und die Opfer unterstützen können.
S.H. der Dalai Lama: Es gibt da eine religiöse tibetische Organisation in Amerika, mit einem Meister, den ich kenne, er hat selbst Schande über sich gebracht. Er hat diese Dinge getan, die viele seiner älteren Schülerinnen und Schüler nun öffentlich kritisieren. Das ist richtig. Der Buddha hat uns, seinen Anhängerinnen und Anhängern, empfohlen, dass wir die buddhistischen Lehren nicht einfach gläubig akzeptieren, sondern sie untersuchen und erproben sollen. Wenn buddhistische Lehren nicht der Vernunft oder der Wirklichkeit entsprechen, dann habt ihr die Pflicht, sie zurückzuweisen.
Einige Nalanda-Lehrer haben Buddhas eigene Worte zurückgewiesen. In unserer tibetischen Tradition betonen einige große Lamas sehr klar, dass die Hingabe an den eigenen Guru oder Lama wichtig ist, doch dass man dem schlechten Verhalten seines Gurus nicht folgen soll. Man soll den eigenen Guru durchaus kritisieren. Wenn Menschen den Weg mit blindem Vertrauen den Weg gehen, ist das falsch. Wir folgen unserem Lehrer auf Grundlage der grundlegenden buddhistischen Lehre. Wenn unser persönlicher Lehrer die Lehre des Buddha wahrhaft übermittelt, dann folgen wir ihm. Verhält sich der Lama übel, sind wir dagegen. In Taiwan ist das auch passiert. Da waren es chinesische buddhistische Lehrer. Ich kenne auch sie.
„Folge ihm nicht und weise es zurück“
Es gibt ein Zitat aus einem Text von Tsongkhapa aus dem Lamrim im 14. Jahrhundert in Tibet, der sagt ganz deutlich, was dieses Verhältnis von Lehrer und Schüler anbetrifft: Wenn du als Schüler heilsames Verhalten, das der buddhistischen Lehre entspricht, bei deinem Meister siehst, dann folge ihm, und wenn du Verhalten siehst, das diesen ethischen Prinzipien nicht entspricht, dann folge ihm nicht und weise es zurück. So verhalte dich also im Einklang mit den ethischen Regeln oder betrachte deinen Lehrer oder folge deinem Lehrer im Einklang mit den ethischen Regeln, die im Buddhismus auch zentral sind. Das ist eine ganz klare Aussage, dass es nicht darum geht, dem Lehrer blind zu folgen.
In Indien gibt es auch einen spirituellen Lehrer, der wirklich Schande über sich gebracht hat. Er kam jetzt vor Gericht und wurde zu einer Haftstrafe verurteilt. Das ist richtig. Wenn der Dalai Lama etwas Schlechtes tut, solltet ihr mich verhaften. (Gelächter) Wenn Dagyab Rinpoche hier neben mir etwas Schlechtes tut, solltet ihr ihn festnehmen. (Gelächter). Ich habe einige chinesische Buddhisten getroffen. Sie hatten ein Problem, wie sie sagten. Auf der einen Seite haben sie das Gefühl, dass sie ihren Lehrer achten müssten. Auf der anderen Seite können sie das Verhalten des Lehrers nicht akzeptieren. Das brachte sie ganz durcheinander. In einem solchen Fall: Studiert, was der Buddha gesagt hat, was die großen Lehrer sagen. Dann gibt es kein Problem.
„Die ethischen Prinzipien sind ganz klar dargelegt“
Einige Schüler von solchen Lehrern, die sich auf nicht angemessene oder auf schädigende Weise verhalten haben, haben mir gegenüber ausgedrückt, dass sie Schwierigkeiten haben; sie sehen zwar diese Fehler, das Fehlverhalten, fühlen sich irgendwie aber auch durch die Loyalität zu ihrem Meister behindert, ihn offen zu kritisieren. Und ich habe zur Antwort gegeben, dass dies kein Hindernis sein sollte. Sie sollten sich davon freimachen, und sie können sich dabei auf die buddhistischen Texte und die buddhistischen Prinzipien berufen, die etwa bei den Ordensregeln ganz klar zum Ausdruck geben, dem Meister nur dann zu folgen, wenn er sich den ethischen Prinzipien entsprechend verhält, und ihm nicht zu folgen, wenn er sich nicht entsprechend verhält. Und das ist ihr gutes Recht, und es ist wichtig, das auch so zu tun. Die ethischen Prinzipien, wie man sich zu verhalten hat als Lehrer sind in den buddhistischen Texten ganz klar dargelegt. Und diese Fälle von Missbrauch, die berichtet werden, stehen ganz offensichtlich diesen Prinzipien diametral entgegen.
© Buddhismus aktuell
Mit freundlicher Erlaubnis.
16.07.2018
Hallo Tenzin,
habe im Internet einen Artikel bei „difficult issuses in tibetan Buddhism“ gesehen, nämlich, „Additional Information & Thoughts for further Analysis“. Und heute hatte ich noch einen weiteren Artikel gesehen, in dem eine Schülerin netterweise noch einige Zitate des Dalai Lamas ins Netzt gestellt hat, so dass man sich ein Bild machen kann, was der Dalai Lama schon alles vor Buddhisten gesagt hat, zum Fall Sogyal Rinpoche und Rigpa Organisation. (Etwa, dass Sogyal Rinpoche sich „disgraced“ habe etc.)
Schicke Ihn dies, weil ich nicht wußte, ob Sie an Meinungen dazu interessiert sind. Falls nicht unbedingt in so einer ausführlichen Form, wäre es ja kein großer Aufwand die Datei einfach zu löschen.
Hier, was es bei mir angerührt hat:
Die Aussagen des Dalai Lamas haben bei mir verschiedene Dinge angerührt: Mein Empfinden ist, dass ich es zwar wirklich toll finde, dass der Dalai Lama sich öffentlich in bezug zu dem Vajra- und Tantrameister Sogyal Rinpoche so deutlich positioniert hat und seine Fachmeinung auch abgegeben hat. Aber ich persönlich glaube, dass es einfach auch zu seiner Weltpolitik gehört, was er wann wie sagt.
So wie in dem Kinofilm „Sieben Jahre Tibet“ gezeigt wurde, dass die Bauarbeiter in der Nähe des Potalapalstes sogar auf Regenwürmer geachtet haben beim Graben. Und auch deswegen Heinrich Harrer nicht so schnell wieder abreisen konnte sogar. Das fand ich damals so beeindruckend, diese Haltung und dachte, dass das ja tatsächlich in tibet.-buddh. Büchern auch erwähnt wird, diese mitfühlende Haltung allen Wesen gegenüber. Ich glaube dieser Kinofilm und viele Aussagen des Dalai Lamas selber über Tibet und Buddhismus über die Jahrzehnte in Europa und Amerika, haben viele Menschen sehr beeindruckt. Leider waren das wohl eher Halbwahrheiten.
Denn im Film wurde glaube ich nicht erwähnt, dass es auch Folter (Folterkammern), Clanskriege und von den Dalai Lamas oft „bestellte“ Schadpraktiken von Nyngmapa Chödmeister etwa gab. Es wurden ja noch bis die Chinesen ins Land kamen Menschen aus der eigenen Bevölkerung durch die Gelugpa-Regierung bestraft, mißhandelt und gefoltert oder verstümmelt. Vielleicht nicht nur von Seiten der Regierung, ich meine sogar auch durch Lamas, die zu den Klöstern gehörten. Auch gab es in den Klöstern nicht nur Prügelstrafen für die jungen Mönche, sondern auch Fälle von sexuellem Mißbrauch. Das meine ich auf keinen Fall als persönliche Schuldzuweisung an den Dalai Lama. Aber seine späteren Aussagen außerhalb Tibets in Europa und Amerika (vielleicht auch Japan?) und das Bild, was er in der Öffentlichkeit kreiert hat, war einfach nicht der Wahrheit entsprechend. Im Grunde hat er gelogen, wenn er so verherrlichend über seine Heimat erzählt hat. Manche Details mögen der Wahrheit entsprochen haben, aber es ist dann einfach nicht mehr die Wahrheit, wenn ein bestimmtes Bild vom Land insgesamt und der Kultur geschaffen wurde, was viele Tibeter und Reisende, auch christliche Missionare und später Forscher (Tibetologen) nicht bestätigen konnten. Ihre Erfahrung war eine andere Wahrheit.
Für einen Kinofilm ist es ja normal, außer, wenn es vielleicht eine Dokumentation sein sollte, dass es auch sehr romantisiert dargestellt sein könnte. Aber auch persönliche Aussagen in der Art und Weise weiter in der Öffentlichkeit zu bedienen, ist etwas anderes.
Aus meiner Sicht hat diese falsche Tibet-Bild vom angeblichen Shangrila leider wohl erheblich mit den Grundstein gelegt, für das weitverbreitete Vertrauen außerhalb Tibets in tibetische Lamas.
Dadurch waren Interessierte oder Aspiranten auf dem buddhistischen Weg noch viel weniger gewarnt vor den eigentlichen Glaubensinhalten und kulturell oder Visions-geprägten Einstellungen der Meister in bezug zu Ihren Besuchen in Amerika und Europa. Denn inzwischen ist das Ausmaß der Anzahl der Mißbrauchsfälle wohl bekannt und sehr erschreckend (es geht um hunderte oder tausende (?)Fälle von sexuellem Mißbrauch und sogar Todesfälle, etwa ein Aidstoter und andere etwas unklare, wie etwa eine Frau, die sich Kanada das Leben nahm). Auch Kinder wurden, aus religiösem Glauben an mudra-Übungen, wie in Texten über die „Yoga von Naropa“ beschrieben und darauf bezogen, mißbraucht, was noch einmal ein anderer Hintergrund ist als sonstiger sexueller Mißbrauch an Kindern. Und genau so ein Verhalten hatte es ja bereits in Tibet bereits gegeben, leider wohl nur noch schlimmer, im Namen der Religion und „in the Name of Enlightenment“.
Deswegen finde ich, dass das sehr unbuddhistisches Verhalten des Dalai Lama war, seine Heimat als heiliges Land und seine Religion als hunderprozentig Buddhismus darzustellen. Außerdem gab es wohl auch noch im Grunde Jahrhunderte alte Konflikte zwischen Ordenslinien, die wohl nicht selten dann auf dem Rücken der Aspiranten ausgetragen wurden. Etwa mein Fall könnte auch damit zusammenhängen, wobei ich nicht weiß ob doch noch eine andere Art der Angst die Hauptursache am „Zugriff“ auf mich der Fall war durch eine Eminenz der Drikung Kagyues.
(Ein Rinpoche äußerte sich bei Belehrungen bei den Drikung Kagyue sehr enttäuscht, dass er auf Geheiß des Dalai Lama demnächst nach Tibet gehen müsse, um dort Nonnen zu unterrichten, Khenpo Öser Rinpoche, 2007, und dass er das natürlich auch befolgen würde, aber sehr viel lieber auch im Westen weiter unterrichten würde. Ich wunderte mich damals, dass er das vor den wenigen, etwa 15-20 Interessierten im Zentrum so persönlich erzählte, und dachte, dass es ihn wohl sehr beschäftigte, wenn er das so in dem kleinen Rahmen unbedingt erzählen wollten. Es tat mir Leid für ihn, aber ich hatte ja nichts mit der Linie speziell oder den Hierarchien bei „denen“ zu tun und wollte eher ein paar Meister mal erleben und eben in meiner Heimatstadt mit anderen Frauen mich unterhalten über spirituelle Themen und gern auch Meditation zusammen üben. Ich lernte dann schnell im Zentrum, dass stille Meditation im tibetischen Buddhismus gar nicht so oft praktiziert wird, aber bald darauf boten sie sogar im Zentrum eine Einheit stille Sitzmeditation an, da die deutschen beiden Frauen, dass selber auch wichtig und gut fanden.)
Also wenn der Dalai Lama nun zitiert wird, dass er schon oft auch gesagt hat, dass er allein gegen die kulturellen Unterschiede, die sich auch durch das Feudalsystem erklären lassen, was lange Jahrhunderte in Tibet ja die Gesellschaftsstruktur war (Anm. von mir: vielleicht sogar eher ein theokratischer Feudalismus), dann sind das glaube ich bewußt gesäte Wahrheiten, die keine sind, denn er hat ja auch ein Buch geschrieben, „Das Herz aller Religionen ist eins“. so eine Aussage gehört finde ich nicht mehr zur Wahrheit, sondern eher zu korrekten Aussagen, o.ä. Es ist korrekt, dass der Dalai Lama niemals allein gegen irgendwelche tief verankerten Haltungen bei allen Rinpoches aus Tibet ankommen würde, aber er allein könnte ohne Weiteres deutlich machen, etwa, dass eine bestimmte gewohnte Haltung sehr wahrscheinlich zu Ergebnissen einer Art führen werden und das Bemühen um eine bestimmte andere Haltung zu anderen Ergebnissen führen würde. Und er könnte sagen, dass er als Oberhaupt deswegen allen Mönchen und Rinpoches (und Nonnen), die Ihm als Oberhaupt unterstehen, ganz klar die Situation erklärt hat und um aktives Einüben von jener neuen Sichtweise und Orientierung aufruft. Und dass es in einem halben Jahr dazu eine Konferenz geben würde, um Erfahrungen zu diesem Üben und Thema auszutauschen.
Solche Führungsrolle klar einzunehmen wird für Religionsoberhäupter bestimmt nicht fremd sein. Also, was hätte er zu verlieren? Es ist wohl eine politische Frage, Glaubensfrage und eine Frage des Willens. Aber wer kommt zu Schaden? Die Aspiranten und Interessierten und die Bevölkerung, weil die Opfer im tibetischen Buddhismus natürlich auch in Beziehungen mit Freunden, Verwandten, eigener Familie oder am Arbeitsplatz etwa stehen. Natürlich kommt der Dalai Lama nicht gegen fest sitzende kulturelle Prägungen „seiner“ Lamas allein „an“, aber warum hat er dann über Jahrzehnte für seine Religion so aktiv geworben, etwa in zahlreichen, sehr oft verkauften Büchern (etwa, „Das Herz aller Religionen ist eins“), anstatt wie ein Lernender im Ausland, die Qualitäten der Menschen zu beschreiben, auf die er getroffen ist; und die guten politischen Strukturen innerhalb der Länder auch in sozialer Hinsicht von denen etwa auch einige Mönche in den USA profitieren. Warum hat er nicht etwa Bücher darüber geschrieben, was seine eigenen Rinpoches wohl durch die in der Heimat erlebten Feudalstrukturen noch als Identifikationen mit sich tragen, etwa selber Heilige zu sein, was kein Tai Chi Meister jemals von sich denken würde, der in seinem Körper die Lebensenergie Chi „pflegt“ und seinen eigenen Geist und Körper übt. Auch kein Geistheiler oder Schamane würde sich selbst als „Buddha“ bezeichnen, dem Anbetung zusteht. Natürlich kommt der Dalai Lama nicht allein gegen tief verwurzelte Identifikationen bei den Lamas an, und nicht alle Lamas sind gleich, aber der Dalai Lama hat seine Kraft finde ich in eine Richtung investiert, um ersteinmal Buddhismus aus Tibet zu rühmen und bekannt zu machen, anstatt etwa kulturelle Unterschiede selber zu benennen. Ich glaube, dass könnte damit zusammenhängen, dass auch das Bild des Dalai Lama von seiner Religion sehr romantisiert ist und sehr normal buddhistisch ist, obwohl es viel um Gottheiten und Dakinis und und Schützergottheiten und übernatürliche Phänomene im tibetischen Buddhismus geht. Ob dem Dalai Lama die sehr schroffe Kritik mancher westlicher christlicher Missionare bekannt gewesen ist? Und ob auch dies mit einfloß in die Werbekampagne für Tibet und seine Kultur, die ja eine Theokratie mit Feudalstruktur war? Ist das auch ein Grund gewesen, immer nur von Buddhismus und berühmten indischen Gelehrten und tibetischer Ethik und Logik zu sprechen, obwohl das ja eine Basis ist, die eigentlich bei 85-95% der am Buddhismus Interessierten aus Europa durch ihren persönlichen beruflichen und privaten Hintergrund bereits vorhanden war sicherlich. Viele Psychotherapeuten haben zum tibetischen Buddhismus gefunden und andere Berufsgruppen sind vertreten sozusagen, in denen hohe psycho-soziale Fähigkeiten im Alltag benutz werden. Das ist ein hohes geistiges Niveau. Aber dann gibt es Einführungen zu den Gebeten für Gottheiten und das verbinden viele Menschen der Bevölkerung, die mal ein Buch vom Dalai Lama gelesen haben nicht mit der buddhistischen Praxis in europäischen und amerikanischen Zentren.
Es war die Entscheidung des Dalai Lamas, was für Bücher er geschrieben hat oder schreiben ließ. Natürlich hätte es Bücher mit Reflektionen über Schattenseiten von tibetischem Buddhismus auch von ihm geben können, aus Sorge, wie bestimmte tibetische innenpolitische Konflikte sich im Ausland vermeiden lassen, so hätte er über solche Bücher, auch warnen können vor „Lamaismus“, in dem nicht alles Gold ist was glänzt.
Stattdessen hat er seinen bekannten Namen dafür genutzt für Buddhismus allgemein zu werben, obwohl die buddhistische Wahrheit in Tibet eine andere etwa ist und auch so ins Ausland exportiert wurde, als in anderen buddhistischen Ländern, etwa Japan mit Zen-Buddhismus. Er hat sogar sein Land als heilig dargestellt und die spezielle tibetische buddhistische Tradition als unbedingt schützenswert und zu erhalten ausgerufen sozusagen(etwa noch 2003, zitiert in Lopez).
In bezug zu den Artikeln mit Äußerungen des Dalai Lama könnte ich mir vorstellen, dass dessen Ratschläge über die Zeit bestimmt einerseits hilfreich für Schüler gewesen sein können oder auch waren. Und auch die deutlichen Äußerungen in bezug zu Sogyal Rinpoche hoffentlich weitere Opfer bei Sogyal Rinpoche verhindern helfen könnten. Denn oft sind ja viele Interessierte bei den Veranstaltungen des Dalai Lama, so dass viele dann seine Meinung oder sein Urteil gehört haben werden.
Ich persönlich habe aber inzwischen wenig Vertrauen in die Integrität des Dalai Lama. Mir kommt es so vor, als würde er sehr den gesellschaftlichen „Wind“ nutzen für seine Weltpolitischen religiösen Ziele. Auch der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte vor vielen Jahren den Dalai Lama einmal verwarnt, nämlich dass es dem Weltfrieden nicht zuträglich sei, wenn man die Landkarten selber so zeichnen würde, wie es einem beliebt. Das von Helmut Schmidt angemahnte Verhalten, ist das aus Sicht des Dalai Lama selber ebenfalls noch Ethik? Oder gilt der Maßstab nur direkt für teachings? Der Dalai Lama hatte für sein Volk als Gottkönig die geographischen Grenzen einfach selber festgelegt. In solchen politischen Dingen kenne ich mich nicht aus, aber als Helmut Schmidt bei der Sturmflut in Hamburg (1962?) einfach sofort militärische Hilfsmaßnahmen den Befehl dazu gab, überschritt er eine Anzahl von wichtigen Bestimmungen, die immer eingehalten werden sollten per Gesetzesbeschluß. Er empfand es spontan aber als wichtig, sofort zu handeln und den Einsatzbefehl zum Militär zu geben, auf Grund der Situation. Er wurde deswegen später auch nicht vom Untersuchungsausschuß verurteilt. Und der Militäreinsatz war so erfolgreich, dass viel Schaden und Gefahr verhindert werden konnte, denn es wurde damals wichtige Stunden gespart. Also was ist Ethik?
Und so möchte ich deswegen auch bezug nehmen zu dem oben genannten Artikel („Additional Information…“).
In der Konferenz von 1997 (?)wird der Dalai Lama gefragt von einem westlichen buddhistischen Lehrer, dass viele Schüler Angst davor hätten ihr samaya (heiliges Band zwischen Meister und Schüler) zu brechen, wenn sie es kritisieren würden, wenn sie Verhalten als Gewalt des Meisters erlebt hätten. Und ob gewalttätiges Verhalten eines Meisters das heilige Band zerstören würde und der Schüler dadurch aus der Bindung zum Meister befreit, bzw. der Schüler daraus dann entbunden ist?
Zu der Zeit gab es ja seit Jahren wohl etwa durch Sogyal Rinpoche gewalttätiges Verhalten, denn eine Frau (Janice Doe) hatte den Meister sogar verklagt bzw. es kam zu einer außergerichtlichen Einigung, in der der Buddhistin viel Geld als Entschädigungszahlung gegeben wurde, mit einer Schweigeauflage. Auch Chögyam Trungpa Tulku hatte bereits mit viel zu Gewalt, auch sexueller und Betrunkensein neigendem Verhalten zu der Zeit gelebt und dessen Meisterschüler viele Buddhisten mit Aids angesteckt, wonach dann sogar ein Amerikaner verstarb.
Das wird S.H. Dalai Lama bestimmt bekannt gewesen sein, nehme ich sehr stark an.
Die Antwort auf die Frage des westlichen buddhistischen Lehrers war dann. „I don´t know….“ Und weiter erinnere ich die Antwort so, dass, obwohl der Meister „in a sense“ has broken the samaya, that does not mean that we can too. Also der Dalai Lama sagte, oder überlegte und sagte, dass obwohl der Meister gewisser Maßen in einem Sinne das samaya, das heilige Band zerstört hätte, dass das trotzdem nicht bedeuten würde, dass wir das auch dürften.
Diese Art der Antwort finde ich recht bezeichnend, denn es spiegelt finde ich das Mitgefühl des Dalai Lama wieder, sich den Fragen gern zu stellen und weiterhelfen zu wollen mit Erfahrung und Fachwissen, aber ich empfinde es so, dass er dabei inhaltlich ausweicht. Denn er antwortet m.E. auf die besorgte Frage des westlichen Meisters so, dass er gleich klarstellt, dass der Meister „in a sense“ has broken the samaya. Also, dass es „uns“ als Schüler so vorkommt, dass der Meister ja durch sein Verhalten wahrscheinlich wohl nicht mehr als echter Meister gelten kann, wegen seinem gewalttätigen Verhalten. Aber der Dalai Lama weicht ganz deutlich einer klärenden Antwort aus und sagt einfach ganz klassisch tibetisch-buddhistisch, dass ein Meister (Bodhisattva) sogar töten dürfen, bzw. selbst wenn ein Meister töten würde, hieße das ja nicht, dass wir ebenso töten sollten. Nur der Vergleich ist m. E. als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen. Denn das Bsp. mit dem Töten ist ja auf Ethik bezogen, natürlich darf man niemals töten, ein hoher Meister dürfte das anscheinend im tibetischen Buddhismus (ein Bodhisattva?), was ich sehr fragwürdig auch finde. Selbst wenn ein Meister töten würde, dürften wir es nicht. Und sicherlich würden wir es auch gar nicht wollen, da ja nur höhere Schüler, geeignete Schüler eigentlich in so einen Prozeß mit einem Meister vom Meister eingeführt werden.
Aber es gibt ja ein heiliges Band. Wenn man es so nennt, halten ja zwei Seiten fest, sonst wäre es ja ein Haken etwa und kein Band. Ein Haken wie beim Angeln oder bei einem Schlachter, wo das Fleisch dann daran hängt. Oder es könnten dann auch Handschellen sein, wie beim Sadomaso-Sex oder bei der Polizei, wenn sie jemanden „gefangen“ und festgenommen haben und zur Wache bringen. Oder wie in einem Kinofilm, in dem zwei Sträflinge ausgebrochen waren, die mit Handschellen verbunden waren noch.(So eine Bonnie-und-Clyde Version hat der Rinpoche in dem Film bei mir innerlich oft gespielt, wenn er nicht zufrieden war, etwa mit meinem Verhalten. Es entstand dann einfach eine neue Paarungswahrheit, zu wem das Paar gerade mutiert ist. Leider bezog der innere Rinpoche sich dabei auf mein Verhalten als Frau im Alltag und machte daraus eine innere Wahrheit, „ganz modern und liberal“.)
Also, wenn es sich um ein heiliges Band (oder Bündnis) zwischen Meister und Schüler im tibetischen Buddhismus handelt, dann ist das ja entweder zerbrochen worden oder nicht. Also entweder gab es an einen Bruch oder es gab keinen Bruch des Bündnisses oder Riss des Bandes.
Die Frage war ja emotional, vor dem Hintergrund der Angst der Schüler und auch vor dem Hintergrund von bereits massiv real existiernder Gewalt durch Gurus und Tulkus aus Tibet. Die Frage war, ob bei „abusive behavior“ des Meisters das heilige Band zerbrochen wurde durch ihn und dadurch der Aspirant aus der Bindung befreit ist oder entlassen ist?
Der Dalai Lama antwortet hier in vielleicht nachdenklicher („I don´t know.“), mitfühlender Art ganz klassisch, dass das heilige Band zwar „in gewissen Sinne“ vom Meister gebrochen wurde, aber dass „wir“ es deswegen nicht „auch“ dürften. Ich finde das wie Äpfel und Birnen zu vergleichen, bzw. der Dalai Lama scheint da einfach Ebenen zu wechseln. Das las ich tatsächlich auch gerade neulich, dass ein Philosoph wohl mal geschrieben hätte, dass im Lamaismus oft Ebenen osziliert werden. Das kann ich aus meiner persönlichen Erfahrung bestätigen mit vielen Beispielen.
Also, er antwortet, sozusagen, „Hmm, ich weiß nicht, ob das den Schüler entlassen würde aus der Bindung. Denn obwohl der Meister das heilige Band in gewissem Sinne gebrochen hat….“ Und nun würde man ja erwarten, dass er dann erklärt möglicherweise, was das heißt, „in a sense“ ; z.B. dass es eben nur „in a sense“ gebrochen wurde vom Meister, trotz von „uns“ als Gewalt erlebtes Verhalten des Meisters „uns“ gegenüber.
Er scheint sich aber hier auf eine rein theoretische Ebene zurückgezogen zu haben, ohne den realen Erfahrungshintergrund der Schüler mehr parat zu haben; etwa von den Schülern bei Sogyal Rinpoche, bei Chögyam Trungpa und dessen Meisterschüler z.B.), denn er geht weder direkt weiter darauf ein, was „in a sense“ konkret meint,. Noch geht er auf eine Möglichkeit ein, ob es bei massiver Gewaltausübung des Meisters dann tatsächlich zu einem Bruch des heiligen Bündnisses zwischen Meister und Schüler jemals kommen könnte. Oder woraus das heilige Band besteht, was zu reißen könnte.
Außerdem habe ich es als sehr autoritär, aber im gewohnten Kleid des Mitgefühls, empfunden, wie der Dalai Lama auf die Frage geantwortet hat. Die Frage bezog sich auf die Angst vieler Schüler in bezug zu der Gefahr, das heilige Band zu brechen, etwa falls sie den Meister einfach hinterfragen würden oder offen dessen Verhalten kritisieren würden. Und, ob das mißbräuchliche Verhalten eines Meisters (also nicht „crazy wisdom“, sondern mißbräuchliches Verhalten), das Band brechen würde und dadurch der Schüler dann aus der Bindung zum Meister entlassen, befreit ist?
Wie gesagt, der Dalia Lama antwortet sofort in der Art, dass es nur durch unsere eigene falsche oder unreine Sicht so scheint, als hätte der Meister das heilige Band durch sein „abusive behavior“ gebrochen. Und er antwortet, so kommt es bei mir an, gleich als Vorbild in Integration und Friedensarbeit zwischen zwei streitenden und fast entzweiten Parteien und bietet direkt eine ethisch vorbildliche Handlungsinstruktion für die Schüler an. Ethisch richtig ist es natürlich so, dass obwohl der Meister „in a sense“ has broken the samaya, „that does not allow the student to break it as well.“ Und er führt dann weiter hinein in solch ein Szenario („“If the guru kills, that does not mean that I can too.“) Mir geht es so, dass ich finde, dass er den grundsätzlichen „Wind“ (wie man umgangsprachlich sagt, „Nun mach nicht so viel Wind um die Sache!“), dass er den „Wind“ der Frage aus den „Segeln“ nimmt und die Thematik in eine andere Richtung lenkt. Es geht um sehr viel Leid und von den Schülern erlittene Gewalt sexuell, seelisch (oder psychisch) und körperlich durch die langfristigen Handlungsgewohnheiten verschiedener tibetischer Meister.
Der Lehrer der die Frage stellt, möchte wissen, ob das „abusive behavior“ eines teachers das samaya kaputt macht, so dass der Schüler dann aus dem samaya entbunden ist? Und obwohl der Dalai Lama in letzter Zeit wohl öfter wiederholt hat, dass er schon oft gesagt habe, dass Sogyal Rinpoche sich individuell „disgraced“ hat, geht er hier ganz klar nur teilweise auf die Sorgen und Ängste der Schüler ein, nämlich nur in bezug zum ersten Teil der Frage, was „kritisches, offenes Hinterfragen des Verhalten des Meisters “ angeht. In anderer Hinsicht, ob eben „abusive behavior“ eines Lehrers dazu führt, dass das samaya von dessen Seite aus kaputt gemacht wurde, das heilige Band zerstört wurde, eben gar nicht. Obwohl es über längere Zeit in bezug zu vielen Aspirantinnen und Aspiranten im tibetischen Buddhismus zu viel Gewalt, „abusive behavior“ gekommen ist durch tibetische Meister, weicht der Dalai Lama dieser Sachfrage aus, was dann eigentlich in bezug zu dem heiligen Band ist? Das finde ich erstaunlich. Bei so viel Wohlwollen des Dalai Lamas, wie kann so etwas passieren?
Ich fürchte in der Art ehrlich und eben ethisch buddhistisch auf eine Frage einzugehen, würde wahrscheinlich einige weitere Fragen entstehen lassen. Und so entgeht der Dalai Lama einer solchen Situation, indem er sofort auf das Thema Ethik eingeht, aber ausschließlich am Schüler damit „herumdoktort“.
Und das nimmt dann ein solches Ausmaß an, dass er ausführlich darüber spricht, was alles echter Buddhismus ist, welche Meister das schon ganz früher sehr deutlich gesagt haben (dass man unbuddhuiistisches Verhalten auf jeden Fall offen kritisieren darf) und dass Schüler auf jeden Fall Mut zu Reformen haben sollen und nicht locker lassen sollen im Kampf mit dem Meister, auf ihre Rechte zu achten und auf die Worte alter buddhistischer Meister zu verweisen.
Es ist ja richtig, korrekt, was der Dalai Lama sagt und bestimmt auch vielleicht mutmachend für viele. Aber ich habe Zweifel, ob er noch aus der Wahrheit spricht. Denn wenn es ihm auf Grund seines kulturellen Hintergrundes oder anderen Gründen nicht anders möglich ist zu antworten, als es auf einer solchen Ebene zu verstehen, dann wäre es seine Wahrheit. Und man entwickelt sich ja immer von einer Wahrheit zu einer höheren. Er hätte nach seinem besten Verständnis der Gesamtsituation geantwortet. Aber mir escheint es doch recht wenig glaubhaft, dass das die Ursachen sind. Ich glaube eher, dass, wie die Richtung der Antwort ausgefallen ist, politischen Bestrebungen entspricht. Die Situation in den Zentren so zu lenken mit den Schülern, dass diese weiterhin in Bindung zu den Lehrern aus Tibet, zu den Lamas bleiben. Und das als erste Priorität. Also dass es auch darum geht, die Tradition zu erhalten aus verschiedenen Gründen, die Schüler aber natürlich dazu bestärkt und liberal, väterlich ermutigt werden, dass sie sich auf jeden Fall für Reformen einsetzen sollen und um ihre Rechte kämpfen sollen in der Bindung und in den „Beziehungen“ zu den Lamas. Auch wenn es Lamas gibt, wie Dzongtsar Khyentse Rinpoche, der anscheinend ein hardliner ist und alles Verhalten von Sogyal Rinpoche als normal für einen Vajrameister darstellt.Auch wenn es solche hardliner als „normales“ Verhalten darstellen, sollen und müssen die Schüler sich das nicht bieten lassen, sondern der Dalai Lama lehrt hier, dass es im Buddhismus sogar verankert ist, dass man unbuddhistisches Verhalten kritisieren darf, sogar soll.
Der Dalai Lama wechselt also in seiner Antwort auf eine andere Ebene, bzw. wechselt das Thema. Denn wie gesagt, er hat auf individueller Ebene Sogyal Rinpoche als „disgraced“ und fachlich nicht wirklich qualifiziert als echten Vajrameister dargestellt. Aber was heißt das nun? Warum haben alle „guten“ Vajrameister, der Karmapa und alle verschiedenen Heiligkeiten denn in so viele Jahre zugelassen, dass Sogyal Rinpoche mit seiner Arbeit und Dreistigkeit und schockenden Art, aber anscheinend auch hilfreichen Art (was andere Schüler berichtet haben), eine große Anzahl von Aspiranten und Aspirantinnen auf dem buddhistischen Pfad massiv mißhandelt hat?
Warum haben die anderen Lamas das einfach so geschehen lassen, dass Sogyal Rinpoche, der Autor des millionenfach verkauften Buches „Das Tibetische Buch vom Leben und Sterben“ mit Schülern auf so eine gewalttätige Art „gearbeitet“ hat und sogar als Padmasambhava selbst bei retreats angekündigt wurde? Es ist ja klar, das einfache Schüler nicht viel Wissen und Erfahrung mitbringen und es so scheint als seien sie in eine Sekte geraten und als hätten sie innerlich vielleicht ihr Unterscheidungsvermögen deswegen verloren. Aber es waren ja auch andere tibetische Meister dort oft zu Gast. Warum hat niemand etwas beanstandet und gesagt, dass die Schüler anscheinend alles gutgläubig wie in Belgien etwa „auf sich genommen“ haben und sogar sich dann in ihre Rolle in dem ganzen eingefunden haben und die Organisation selber aufrecht erhalten haben organisatorisch. Aber warum hat sie niemand aus dieser pathologischen Bindung versucht wachzurütteln oder besser mit echtem Buddhismus zu konfrontieren und klar aufzuzeigen, dass so ein Verhallten dann nicht mehr Buddhismus ist, sondern eine Sekte um einen angeblichen Guru entstanden ist, mit dem andere Meister im tibetischen Buddhismus sich anscheinend gut verstehen? Denn etwa Garchen Rinpoche wurde dort 2008 oder 2009 als „seit vielen Jahren gut miteinander befreundet“ vorgestellt und es war eine heitere, gelöste Atmosphäre dort („Weiße Tara“ Seminar).
Das heißt einerseits hat der Dalai Lama ganz klar Sogyal Rinpoche als Individuum als „disgraced“ dargestellt und dass man bei bestimmten Lehrern einfach die teachings nicht mehr annehmen und umsetzen sollte. Aber er ist in der Situation nicht auf die Frage in einer Art eingegangen, ob das „abusive“ behavior eines Lehrers dazu führt, dass das samaya dann vom Lama selber gebrochen wurde. Und was das dann konkret für den Schüler bedeuten würde.
Stattdessen hat er sofort die bedrohte Bindung in dem selbst erfundenen Szenario gekittet, obwohl das Szenario eigentlich so war, dass ein Meister „abusive“ ist zu Schülern. Er hat die Schüler zu unreinen Objekten gemacht, die es eben „falsch“ oder eben „unrein“ wahrnahmen. Nämlich, dass der Meister durch sein Verhalten vielleicht sogar das heilige Band zerbrochen haben könnte, was laut der Erklärung des Dalai Lama, aber nur so scheint.
Ich glaube das entspricht der Tradition im Tibetischen Buddhismus, dass immer alle Lamas gern natürlich für Frieden mit sorgen möchten, aber letztendlich eigentlich niemand wirklich Ahnung hat außer ihnen selbst und es deswegen ganz selbstverständlich ist, dass alle Machtverhältnisse und seien sie noch so mißverständlich auf den ersten Blick, natürlich auf jeden Fall ganz klar richtig grundsätzlich sind, denn es entspricht ja alles insgesamt der Lehre des Buddhas immerhin.
Also was für eine buddhistische Ethik, über die der Dalai Lama so gern predigt und von berühmten Meistern zitiert, lebt der Dalai Lama eigentlich selber?
Ist er in der Situation einfach voller Freude in klassischer Sicht belehrend auf die Frage des westlichen Lehrers eingegangen? Und hat es irgendwie übersehen, wie der reale Hintergrund der Alltagserfahrungen der Schüler ist? (Was würde das dann bedeuten in bezug zu den Qualitäten des Tantra- und Dzogchenmeisters und als Chenresig und Bodhisattva geltenden tibetischen Lamas?) Oder war es absichtliche Vermeidung, aus anderer Perspektive auf die Frage zu schauen, nämlich aus der Perspektive, was eigentlich der reale Hintergrund vieler Buddhisten und Interessierten seit Jahren in den Zentren waren? Dass es „abusive behavior“ von Meistern gibt, die ganz klar persönlich agressiv und auch aggressiv sexuell sich verhalten, was kein „crazy wisdom“ ist, sondern Gewalt darstellt. Und was das dann konkret in bezug zum heiligen Band zwischen Meister und Aspirant(in) bedeutet (samaya)?
Interessant wäre es, finde ich, wie es den wirklich interessierten Zuhörern gegangen ist, bei der Antwort. Ob es ihnen auch aufgefallen ist, dass nur in der Richtung geantwortet wurde des Themas Ethik. (Dass kritische Fragen sehr wohl Teil der buddhistischen Lehre sind.) Oder ob sie vielleicht enttäuscht waren, dass der Dalai Lama gar nicht auf den konkreten Fall eingegangen ist, der ja etwa in bezug zu dem Meister Sogyal Rinpoche vorliegt.
June Campbell schrieb bereits 1997 in ihrem Buch („Göttinnen, Dakinis und ganz normale Frauen“, dass wohl einiges im tibetischen Buddhismus sehr überhöht dargestellt und gelebt wird. Nun ist es 2018, also bereits über zwanzig Jahre her, das sie besonders die Machtausübung Frauen gegenüber hinterfragt und dargestellt wurde und auch stark inhaltliche Kritik am Tantrasystem genommen wurde, nämlich dass es ein sehr unterdrückendes System ist. Das sehe ich auch so. Auch bei Äußerungen von dem Rinpoche Dsongtsar Khyentse Rinpoche, dass Frauen in den Beziehungen zu den Meistern nicht auch noch Blumen erwarten sollten, sondern dass es keine „equality“ in der Beziehung zum Meister geben könne, denn, „where duality is retained, there is no romm for equality“, halte ich für nicht richtig. Es ist sogar erschreckend, finde ich, was für Glaubensinhalte im Vajrayana Buddhismus anscheinend von Meistern autoritär vertreten werde. Und so empfand ich eben auch die Antwort des Dalai Lama, dass er ganz klar den „Wind“ hinter der Frage sofort in eine andere Richting gelenkt hat. Hin zur Ethik, aber eben, was ein Schüler unbedingt beachten solle. Ein Schüler. Und nicht etwa der Meister. Wann ein Meister vielleicht eben doch kein Meister ist.
Der damalige Tai Chi Lehrer, bei dem ich eine Weile Unterricht hatte, der auch den Dalai Lama sehr bewunderte, sagte einmal, dass der nächste Buddha die Gemeinschaft sein werde das hatte er irgendwo gelernt. Ich hatte ihn damals nicht gefragt, wer so etwas behauptet hätte bzw. wer so etwas vorausgesagt hätte.
Es steht zum Glück ja jedem in den meisten Ländern frei, zu glauben religiös, was man möchte, aber oft wird der Glaube ja auch sehr durch Vorbilder oder auch Experten oder eben Meister geprägt. Und wenn die Absicht der Meister eben nicht spirituell ist, sondern religiös und/oder politisch verwoben, dann werden Menschen durch so einen Einfluß natürlich hin zu einer anderen Wahrheit geführt, als die, die der Buddha erreicht hat und Vorbild dafür war. Ich glaube nicht, dass im tibetsichen Buddhismus wirklich der Weg zur Berfreiung von den Fesseln des Ich, so wie es der Buddha es erreicht hat, vorgelebt wird, sondern zwar teilweise darauf bezug genommen wird. Aber eben oft auch in eine ganz andere Abhängigkeit zum „Hauptbodenschatz“ Tibets geführt wird, zu den Lamas.
So etwas ähnliches hat es sicherlich schon in jeder Religion gegeben, nur im tibetischen Buddhismus gibt es ja außerdem noch einige ganz grundsätzliche Glaubensinhalte, die nicht überall genauso geglaubt werden, aber eben sehr grundsätzlich im Menschenbild etwa sind. Das schrieb auch June Campbell in ihrem Buch, dass im tibetischen Buddhismus es als wahr gilt, dass männliche Energie dynamisch ist und weibliche Energie statisch oder stagnierend. Die Frage ist finde ich etwas ähnlich wie vor einigen Jahrhunderten die Astronomen stritten, ob die Sonne sich um die Erde drehen würde oder die Erde um die Sonne (oder ähnlich). Und eine Zeit lang war die neue, moderne Sichtweise in einigen Ländern verboten, so dass sogar Astronomen ermordet wurden deswegen, wenn sie in die Richtung forschten oder sich der schon in anderen Ländern astronomisch bewiesenen Meinung anschlossen. Heute ist es Allgemeinwissen und ganz selbstverständlich, wie es im Universum aussieht und die Zusammenwirkung ist und dass sich die Erde um die Sonne dreht in ihrer elipsenartigen Umlaufbahn. Wenn wir sagen, „die Sonne geht gerade unter“, wissen wir, dass sie nur nicht mehr zu sehen ist, weil wir uns, bzw. eher die Erde, auf der wir leben dreht und bewegt. Die Sonne scheint immer und wirft seine Strahlen selbstlos ohne dies zu wollen oder zu planen auf die Erde herab.
Und ich glaube um solche grundsätzlichen Themen geht es auch beim Verständnis von tibetischem Buddhismus. denn in dem Glaubenssystem wird geglaubt, dass männliche Energie, weil der Buddha ja ein Mann war, dynamisch ist. Und die weibliche Energie stagnierend. Also man würde glauben, dass man sich vielleicht phlegmatisch fühlt weil die weibliche Energie Oberhand in einem hat und das männliche, dynamische gerade „verstopft“ hat. Aber wenn man mal das mit den eigenen Alltags-, also Lebenserfahrungen vergleicht, kennt man da nicht viele Beispiele, in denen es gerade die Männer sind, die eher etwas phlegmatisch und unflexibel sind und pedantisch und wenig zu bewegen sind? Ist der männliche Geist nicht so, dass viele Männer oft von ihrem Beruflichen- Identifikation und Denken es schwer finden, zu hause sich anders zu geben? Und das Frauen zwischen verschiedenen Rollen fließend wechseln? Ist es nicht oft so, dass wen Frauen sich treffen es ein reges, waches, kommunizieren ist. Und es oft wenn Männer sich treffen auch recht unlustig und schweigsam zu geht, bis dann eine Flasche aufgemacht wird oder geplant wird nächstes mal in eine Kneipe zu gehen, wo auch ein paar hübsche „Mädchen“ sind?
Ich glaube in Europa und Deutschland ist es schon sehr viel ausgeglichener, dass viele Männer auch gern als Väter für das Kleinkind, ihre Tochter oder ihren Sohn da sein wollen, sogar einfach auch das Windelwechseln natürlich mit übernehmen. Aber das es sehr eben auch durch diesen emanzipatorischen Einfluß sich dahingehend verändert hat. In Deutschland ist das Weibliche an sich kaum mehr als minderwertig verstanden und in bezug Beweisen dafür ist es sowieso keine Frage mehr. Sondern es ist klar, dass es Unterschiede gibt zwischen Männern und Frauen, aber eben keine Unterlegenheit eines Geschlechtes dem anderen gegenüber. Denn um welches Maß sollte es generell denn gehen?
Und so ist es auch glaube ich nur im asiatischen Buddhismus noch verbreitet, auf jedenfall aber im tibetischen, dass es dort so geglaubt wird, wie es aber nicht tatsächlich ist. Es ist wie die Eindeutigkeit im Universum. Und die weibliche Energie, shakti ist das dynamische, die Bewegung und die männliche Energie ist das Ruhende.
Wenn man nun vor dem Hintergrund sieht, dass so unglaublich viel sexueller Mißbrauch an Frauen in tibetischen Zentren begangen wurde, und auch meine Erfahrung ist, dass ich immer dann angeblich gerade Tara war, wenn ich ganz schlank und leicht und modelmäßig jung mich fühlte, dann war es in dem Zustand, den ich nicht für gut empfand leider auch so, dass mein Unterleib ganz tot war. Ich fühlte mich körperlich plötzlich wie ein Mädchen und hatte dann meistens, wenn der Zustand häufig entstand oder „erzeugt“ wurde, auch Schwierigkeiten mit dem Stuhlgang. Was für Zusammenhänge hat das mit der buddhistischen Lehre aus Tibet. Natürlich könnte ich in so einer körperlichen Wahrheit sicher niemals selber Verwirklichung erreichen, aber das war in Tibet ja ohnehin der glauben. Frauen sollten sich glücklich schätzen, wenn sie für sexuelle Übungen einem Lama zur Verfügung stellen sollten, denn dann hatten sie den Segen des Lamas und konnten so auf eine bessre Wiedergeburt hoffen. Und was passiert seit den 1970er Jahren in den USA und Europa? Ich fürchte etwas recht Ähnliches, nur natürlich auf die Seele des Kontinents oder Landes zugeschnitten, weil die Lamas ja die Menschen beschenken und natürlich aus der mitfühlenden Helferposition heraus agieren.
Und mit dem festen Glauben an ihre eigene gute karmische Position als Helfer zur Erhebung der Menschen hin zur Erleuchtung in der Zukunft, gibt es wahrscheinlich auch wichtigere und eben unwichtigere Ebenen. Und deswegen finde ich es recht bezeichnend und eine verpasste Chance, wenn der Dalai Lama damals in der Konferenz eben in der Art geantwortet hat, obwohl zu dem Zeitpunkt bereits viel ganz deutliche Gewalt an Schülern ausgeübt wurde. Der Dalai Lama hat das Thema irgendwie inhaltlich gespalten, denn einerseits hat er Sogyal Rinpoche ganz deutlich als „disgraced“ bezeichnet. Und andererseits aber nicht es als spirituelles Thema angenommen, was das nun in bezug zu dem samaya offiziell bedeutet. Denn wodurch hat Sogyal Rinpoche sich „disgraced“? Durch sein gewalttätiges, „abusive“ Verhalten.
Deswegen empfinde ich tibetischen Buddhismus nicht als Buddhismus, sondern als Lamaismus, da es wohl immer als erstes Hauptziel gilt, die Menschen ersteinmal wie Wildpferde einzufangen und sie dann eben zu Freunden (Lehre)und Helfern (Sex, Zentren, Ruhm, Geld, Erfahrung, Fun ) zu machen.
Das wollte ich gern zu dem Artikel „Additional Information for further Analysis“ auf „Difficult Issues in Tibetan Buddhism“, anmerken.
Mit freundlichen Grüßen,
mögen alle Wesen in allen Welten Frieden und auch Glück erreichen
„Marie-Louise“
Liebe Marie-Louise,
danke für Ihren Kommentar und die Gedanken. Habe ihn nur im ersten Drittel überflogen. Er ist ja recht lang geworden. Ich vermute Sie beziehen Sich auf den 2. Abschnitt in nachfolgendem Post: https://buddhism-controversy-blog.com/2018/03/01/some-reflections-on-dzongsar-khyentse-rinpoches-talk-at-rigpa-berlin/
Nur am Rande – aus Transparenzgründen – der englische Blog wird von mir betrieben. Joanne Clark, eine ehemalige Rigpa Schülerin, später Kagyue, hat das Post geschrieben. Ihr hat es geholfen, die Aussagen des Dalai Lama dazu zu lesen und da sie einen guten Überblick über diese hat, hat sie sie gesammelt und zur Verfügung gestellt.
Es gibt wohl ein neues Buch mit noch mal 20 Seiten zum Thema vom Dalai Lama. Wahrscheinlich wird Joanne dazu auch noch was posten.
Hier hat sie alle Kommentare zu Rigpa / Sogyal Lakar vom Dalai Lama in einem Post aufbereitet: https://buddhism-controversy-blog.com/2018/06/20/hh-dalai-lama-comments-on-the-troubles-in-rigpa/
Es stimmt, eine beschönigende Tibetpropaganda hat definitiv mit zu einem verzerrten Bild beigetragen. Auch aus dem Exil wurde an diesem Zerrbild gearbeitet. Glücklicherweise gibt es ja dazu Forschungen und sehr gut informierte (wissenschaftliche) Literatur.
Muss mal sehen, ob ich dazu komme den ganzen Kommentar zu lesen. Danke für die Mühe!
HG T