Moderner Buddhismus? Kadampa Meditationszentrum Frankfurt (KMC Frankfurt)

In letzter Zeit wird dieser Blog via Suchanfragen zu »Kadampa Institut Frankfurt« verstärkt aufgesucht. Heute wurde mir ein Link zur ARD Themenwoche »Woran glaubst Du?« zugesendet, in der die ARD die Leiterin des Kadampa Meditationszentrum Frankfurt, Kelsang Gyalten, interviewt. Das Interview ist eher harmlos, und prinzipiell kann man sich eigentlich nur freuen, wenn jemand seinen Weg gefunden hat.

Allerdings, wenn man die Hintergründe zur Neuen Kadampa Tradition kennt und die Zeugnisse ehemaliger Mitglieder liest, die von Machtmissbrauch, Trauma, posttraumatischer Belastungsstörung und andere Formen psychischen, finanziellen, geistigen und religiösen Schadens berichten¹ – und zwar in einem Ausmaß, wie es keine andere buddhistische Gruppe im Westen vorzuweisen hat² – will sich dieses Gefühl der Mitfreude nicht wirklich einstellen, weil man dann sofort an die vielen geschädigten Menschen denkt.

Deutschland hat nach wie vor ein Problem damit, dass Medien und Journalisten viel zu unkritisch über Buddhismus und buddhistische Gruppen berichten. Ihnen scheint es häufig generell an Grundkompetenzen über den Buddhismus / Buddhismus im Westen zu fehlen. Zusätzlich scheinen sie in einem weit verbreiteten positiven Vorurteil gefangen zu sein, nämlich, dass alles was als »Buddhismus« daher kommt, generell gut ist. Dieser Eindruck wurde mir von einem kritischen Journalisten in einem Gespräch bestätigt. Der Journalist fügte hinzu: »…jüngere Journalisten verfügen zudem kaum noch über religiöses Wissen oder Hintergrundwissen zu Religionen.« Auf der Basis solcher Unkenntnis und dem vorherrschenden Mangel an kritischem Hinterfragen oder kritischer Recherche ist es dann nicht weiter verwunderlich – wohl aber sehr bedauerlich –, dass Journalisten und Medien (ob das nun ARD, RTL, ZEIT oder FAZ sind) nicht einmal auf die Idee zu kommen scheinen, dass es destruktive oder schädigende Strukturen in buddhistischen Gruppen geben könne. Und ihnen ist nicht bewusst, dass sie dadurch auf buddhistische Gruppen mit destruktiven, sektenhaften Strukturen durch ihre naiv, gutgläubig und unkritischen Berichte aufmerksam machen, diese sogar fördern und naive, uninformierte Suchende in potenziell stark schädigende Strukturen treiben. Hingegen würde normalerweise kein Journalist auf die Idee kommen, Scientology oder andere unseriöse Glaubensgemeinschaften zu unkritisch darzustellen. Wann gibt es ein Erwachen bei den Journalisten / den Medien? Es ist höchste Zeit!

Diese Naivität und Gutgläubigkeit auf Seiten von Journalisten wurde mir erst kürzlich erneut in einer Email von einer TAZ-Journalistin bestätigt. Nachdem ich die TAZ auf einen völlig unkritischen Artikel zu einer in hohem Maße abhängig machenden und sektenhafte Gruppierung – Ganden Tashi Choeling in Päwesin – hinwies und sie bat, sich doch an bekannte Institutionen zu wenden, bevor sie über eine buddhistische Gruppe oder deren Vertreter völlig unkritisch berichten – wie z.B. die Berliner Sektenleitstelle, die DBU, DBO oder EZW – schrieb die Reporterin in einer Email zurück: »In der Zwischenzeit habe ich mit der deutschen buddhistischen Union telefoniert. Dort bestätigte man, dass in Päwesin einer buddhistischen Richtung gefolgt wird, die man in der Buddhistischen Union für eine mit sektenhaften Zügen hält. Das Gespräch mit der DBU war insofern interessant, dass darin darauf hingewiesen wurde, dass im Zusammenhang mit Buddhismus oft gar nicht an mögliche sektenhafte Strukturen gedacht wird und für mich muss ich sagen, das stimmt.«

Nun, wenn Journalisten und Medien so gutgläubig, uninformiert und naiv sind, bleibt mir als ehemaligem Lehrer innerhalb der Neuen Kadampa Tradition (NKT), als jemand, der Insider dieser Gruppierung war, nichts anderes übrig, als erneut einige Quellen zum kritischen Nachlesen und Nachdenken in Bezug auf die Neue Kadampa Tradition (NKT) zur Verfügung zu stellen.

Für diejenigen mit wenig Zeit aber Interesse, hier ein Auszug aus einem Interview mit einem ehemaligen NKT-Mitglied:

U&W: Was hat Sie dann gestört?

N.N.: Alles drehte sich um Geshe Kelsang Gyatso. In den Seminaren besprachen wir ausschließlich seine Bücher, die Mitglieder lasen nichts anderes, im ganzen Zentrum gab es keine andere Lektüre. Sie hüteten sich aber zu sagen: „Du sollst keine Bücher von anderen Meistern lesen“, sondern es klang so: „Der ganze Dharma ist bei Geshe-la, da muss ich nichts anderes lesen.“ Andere Traditionen wurden ausgeklammert oder totgeschwiegen.

U&W: Welches Verhältnis besteht zum Dalai Lama?

N.N.: Im Zentrum gab es kein einziges Bild vom Dalai Lama (NKT ist aus der Gelug-Schule entstanden, zu der der Dalai Lama eine besondere Verbindung hat, Anm. d. Red.). Sie sagten nicht: „Stell’ kein Bild vom Dalai Lama auf“, sondern: „Wir haben doch Geshe-la, wozu brauchen wir noch etwas anderes?“ In den Veranstaltungspausen führten die Lehrer gezielt Einzelgespräche mit den Teilnehmern. Darin betonten sie die hohe Qualität der NKT, und häufig fielen die Worte „rein“, „reine Lehre“. Durch den Tunnelblick und die Fixierung auf „meine Tradition, meinen Lehrer, mein Dharma“ wurde eigenes Denken unterdrückt. Das geschah wie von selbst, über Gruppendynamik und Selbstzensur, allerdings untermauert durch die Unterweisungen. Die Lehrer sagten: „Wenn ihr den Lehrer aufgebt, gebt ihr alle Buddhas auf.“ Die Konsequenz war, dass du deine Höllenexistenz quasi schon gebucht hattest, wenn nur der leiseste Zweifel an Geshe Kelsang Gyatso aufkam. So wurde der Dharma benutzt, um Ängste zu schüren und die Eigenverantwortung und Wahlfreiheit außer Kraft zu setzen. Es geschah nicht über flammende Reden oder plumpe Einschüchterungsversuche.

Durch das starke Sendungsbewusstsein wurde die ganze Kritik von außen gar nicht verstanden. Man deutete sie als Neid und Konkurrenzdenken der anderen. Angriffe von außen schweißten die Gemeinschaft in ihrem Ringen um den »wahren, reinen Dharma« noch mehr zusammen. Heute weiß ich: Wenn man sich auf das System NKT einlässt, nimmt man sich selbst die Freiheit, und das ist für mich das Gegenteil von dem, was der Buddha gelehrt hat.

Ausführliche und kritische Informationen zur Neuen Kadampa Tradition (NKT), die meist auf akademischen Artikeln beruht, finden sich in Deutsch hier:

Journalisten können sich nicht nur an die Berliner Sektenleitstelle, die DBU, DBO oder EZW für kritische Recherchen oder Hintergrund-Informationen zu buddhistischen Gruppen oder buddhistischen Lehrern wenden. In England, wo auch die NKT ihren Hauptsitz hat, betreibt Inform – eine akademische gemeinnützige Institution mit Sitz am King’s College in London³ – Forschungen zu Neuen Religiösen Bewegungen – inklusive NKT. Inform ist in England vor allem als Auskunftsstelle für die Britische Regierung, Akademiker, Journalisten und ehemalige Mitglieder von Neuen Religiösen Bewegungen relevant.

Collage einer ehemaligen, traumatisierten NKT Nonne.

In einem ihrer Flyer, »Extremismus auf dem Unigelände« (Extremism on Campus), nennt Inform die NKT zusammen mit anderen kontroversen Gruppen, wie Scientology, insgesamt drei mal. Seit 2010 erhielt Inform – bis auf eine einzige Ausnahme – mehr Anfragen zur NKT als zu Scientology.⁴

Während Scientology und andere Neue Religiöse Bewegungen keine Probleme damit haben, mit Inform zusammenzuarbeiten – da auch aus ihrer Sicht und Erfahrung, Inform wirklich um objektive Neutralität bemüht ist –, ist die NKT bisher die einzige Neue Religiöse Bewegung, die Inform eine Zusammenarbeit unter Androhung einer Klage verweigerte. Infolge der Klagedrohung konnte Inform ihre allgemeine Info-Broschüre zur NKT bis zum heutigen Tage nicht veröffentlichen und Anfragen zur NKT müssen explizit auf Details zur Gruppe zugeschnitten werden – was entsprechendes Vor-Wissen zur NKT beim Anfragenden voraussetzt und Recherchen erschwert.

All dies sollte vielleicht erst einmal reichen, um sich einen Moment Auszeit zum Nachdenken zu nehmen. Niemandem ist geholfen, wenn uninformierte, oberflächlich arbeitende oder recherchierende Journalisten oder Medien fortgesetzt naiv-positive Informationen verbreiten und damit aus Unkenntnis automatisch, religiöse Gruppen mit destruktiven Strukturen via Medien in der Öffentlichkeit promoten. Ganz im Gegenteil, durch dieses Verhalten werden sie zum verlängerten Arm der sehr gut aufgestellten Werbeabteilungen kontroverser buddhistischer Organisationen und tragen dazu bei, dass mehr – insbesondere junge oder labile – Menschen angezogen werden.

Im Sinne der Funktion der Medien (Informationsfunktion, Meinungsbildungsfunktion, Kritik- und Kontrollfunktion) und ihrer besondere Rolle mit der Aufgabe als vierte Gewalt im politischen System, würde ich mir hier eine verstärkte Wahrnehmung der Kritik- und Kontrollfunktion wünschen.


¹ Auch Machtmissbrauch und sexuelle Handlungen mit Nonnen durch die Nachfolger des Gründers der Schule – Neil Elliott (Gen la Thubten) und Steven Wass (Gen la Samden) – gab es. Die schädigenden Handlungen seiner Nachfolger stoppte Geshe Kelsang Gyatso erst, als diese in buddhistischen Foren verbreitet wurden und dies massiv dem Ansehen seiner Schule schadete. Betroffene Nonnen oder besorgte Schüler, die sich bei Geshe Kelsang zuvor beschwerten, wurden vom ihm hart zurückgewiesen, ihre besorgten Zeilen würden die NKT »zerstören« und »zahllosen Lebewesen schaden«.

² Das Selbshilfeforum ehemaliger Anhänger der NKT, »New Kadampa Survivors« (Überlebende der Neuen Kadampas), hat derzeit 1.351 Mitglieder, um nur ein Indiz für diese Behauptung zu nennen.

³ aktualisiert am 16.12.18

⁴ Hinweis 16.12.18: Der ursprüngliche Weblink zu den jährlichen Berichten von Inform war: http://www.inform.ac/node/53. Seit dem Umzug von Inform an die Fakultät für Theologie und Religionswissenschaft am King’s College in London und mit der neuen Website von Inform, sind diese Berichte derzeit nicht mehr online verfügbar, können aber bei Inform angefragt werden. Einige Details der Berichte wurden hier zusammengefasst: 1. New Kadampa Tradition – Inform 2011 – Extremism on University Campuses (2012) und 2. Inform Statistics – Geshe Title of Kelsang Gyatso – Not Isolating Groups (2011).

Updates 2020


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