Einige Updates zum Thema Missbrauch in buddhistischen Gemeinschaften & zu anderen Kontroversen

Überblick

  1. Sogyal Lakar (Rinpoche) / Rigpa
  2. Shambhala (Sakyong Mipham Rinpoche) / Against The Stream (Noah Levine) / Dagri Rinpoche (FPMT)
  3. Der 14. Dalai Lama trifft sich mit vier Missbrauchsopfern buddhistischer Lehrer in Rotterdam
  4. Deutsche Buddhistische Union (DBU)
  5. Ole Nydahl: Stellungnahme des Rates der DBU + Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen
  6. Einige neue Artikel zum Thema sexueller Missbrauch (sexualisierte Gewalt)
  7. Forschung zum Thema Missbrauch in buddhistischen Gemeinschaften

1. Sogyal Lakar (Rinpoche) / Rigpa

Im Juli 2017 wurden schwere Vorwürfe von acht Rigpa-Schülerinnen und -Schülern öffentlich, die nach dem Willen der Briefautorinnen und -autoren zunächst nur an Sogyal Rinpoche (bürgerlich: Sogyal Lakar) selbst und ausgewählte Mitglieder der Gemeinschaft versandt werden sollten. Bald schon kursierte der Brief auch außerhalb von Rigpa und wurde schließlich von der kanadischen buddhistischen Zeitschrift „Lion’s Roar“ auf der Webseite des Magazins als PDF-Datei zur Verfügung gestellt. Sogyal Lakar wurde im Brief massiver sexueller, physischer, emotionaler und finanzieller Missbrauch vorgeworfen. In Folge der Veröffentlichung und der nachfolgenden Reaktionen von Medien und Buddhisten, trat Sogyal Lakar von allem Ämtern zurück – wobei er nach Aussage von Rigpa Kennerinnen im Hintergrund weiter die Fäden in der Hand haben soll.

In Frankreich liegen Anzeigen gegen Sogyal Lakar vor, die die französische Polizei untersucht. Eine Hauptbetroffene aus Frankreich hat sich jedoch gegen eine Anzeige und damit gegen ein Verfahren entschieden. Oft werden Betroffene sexualisierter Gewalt retraumatisiert bei solchen Verfahren und selbst Opferorganisationen warnen vor den Strapazen für Betroffene. In England sollen auch Anzeigen gestellt worden sein, allerdings soll sich die englische Polizei – im Gegensatz zur französischen – überfordert gefühlt haben. Aus Deutschland liegt mir ein 12-seitiger Bericht für die Polizei vor, der mir anonymisiert von der Verfasserin gegeben wurde. Sogyal Lakar soll sich in Thailand aufhalten – angeblich wegen einer Krebsbehandlung, allerdings hat Thailand auch kein Auslieferungsabkommen mit Frankreich. Was die juristische Aufarbeitung angeht, muss also weiter abgewartet werden.

Die Berichte, Reaktionen und das Material, das sich seit Juli 2017 angesammelt hat ist recht umfangreich. In Abschnitt „Updates“ des Artikels Turbulente Zeiten zum Thema Missbrauch im Buddhismus: Vergangene Taten holen Sogyal Rinpoche & Rigpa ein können einige relevant erscheinende Veröffentlichungen und Beiträge gefunden werden. Besonders hervorheben möchte ich die Beiträge der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) zu den Reaktionen hochrangiger tibetisch-buddhistischer Lehrer und zum (zweifelhaften weil unklaren) neuen Ethik-Code, den sich Rigpa verordnete: „Rigpa gibt sich einen Verhaltenskodex“ (PDF).

Rigpa konnte mit der Veröffentlichung des Briefs der acht Unterzeichner und den Reaktionen darauf nicht mehr die alte Taktik verfolgen, die Anschuldigungen als Verleumdungen von einzelnen böswilligen Menschen zu diffamieren und Außenstehenden ihren gesunden Menschenverstand abzusprechen mit dem Hinweis, dass sie die wahre, meisterhafte Natur von Sogyal Rinpoche verkennen würden, andeutend, Sogyal Lakars Verhalten sei jenseits des Verständnisses gewöhnlicher Menschen oder gar China stände hinter den angeblich völlig unbegründeten Vorwürfen. (siehe z.B. diese Rigpa-Presseerklärung) Also ging das Rigpa Management diesmal in eine andere Richtung und involvierte An Olive Branch und die Anwaltsfirma Lewis Silkin, um die Vorwürfe und den damit einhergehenden Imageverlust anzugehen. Das Geld dafür stellte Rigpa bereit. Anfänglich sollte der Bericht der Anwaltsfirma Lewis Silkin nicht öffentlich gemacht werden und nicht einmal die Betroffenen von Missbrauch selbst, die am Bericht mitwirken sollten, erhielten ein Anrecht darauf, ihn lesen zu dürfen. Nur, da machten die Betroffenen nicht mit und setzten sich schließlich nach zähen, monatelangen Verhandlungen mit ihrer Forderung durch, das Rigpa und Lewis Silkin den Bericht nach Fertigstellung veröffentlichen müssen. Dies ist nun geschehen.

Karen Baxter, die im Auftrag von Lewis Silkin die Untersuchung durchführte, schreibt in ihrer Zusammenfassung, dass auf Grundlage der ihr vorliegenden Aussagen sie davon ausgehe, „dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“:

a. einige Schüler Sogyal Lakars (die Teil des „inneren Kreises“ waren, wie später in diesem Bericht beschrieben wird) ernsthaftem körperlichem, sexuellem und emotionalem Missbrauch durch ihn ausgesetzt waren, und

b. es Einzelpersonen in Leitungspositionen innerhalb von Rigpa gab, die sich zumindest einiger dieser Vorkommnisse bewusst waren und sie nicht thematisiert haben, wodurch andere gefährdet wurden.

© Olivier Riché | Sogyal Rinpoche teaching in Dzogchen Beara | (CC BY-NC 2.0)

Die Berichte über körperliche Misshandlungen beschreiben, dass Sogyal Lakar Rigpa-Schüler geschlagen, geboxt, getreten und an den Ohren gezogen habe. Ein Student sei bewusstlos geschlagen worden. Einige Mönche und Nonnen seien blutig geschlagen worden; durch Gewalt zugefügte Wunden hätten zu Narben geführt.

In Bezug auf sexuellen Missbrauch soll Sogyal Lakar seine Funktion als Gründer, Leiter und spiritueller Meister von Rigpa genutzt haben, um Zugang zu jungen Frauen zu bekommen. Er soll sie gezwungen, eingeschüchtert und manipuliert haben ihm sexuelle Gefälligkeiten zu geben.

Eine Zeugin, eine Jugendliche, die zu einem Rigpa-Retreat kam, um sich von Depressionen und Selbstverletzungen zu erholen, wurde eine Woche nachdem sie ihre Arbeit in der Lama-Küche begann gebeten sich auszuziehen. Als sie sich weigerte, behauptet sie, wurde sie geschlagen und später zum Sex gezwungen.

Eine andere Person, die Baxter bei ihrer Untersuchung unterstützte, beschrieb „wie das ganze Leben der Opfer auseinander bebrochen ist. Der Schaden ist enorm.“

Im Gespräch mit dem Telegraph sprach einer der acht ursprünglichen Unterzeichner darüber, wie Sogyal „uns gelehrt hat [zu glauben], dass wir das Problem seien, das wir nicht ‚rein sehen‘ würden“. (Dies spielt auf die Reine Sicht im Vajrayana an, die hier missbraucht wird, um tatsächlich vorhandene Fehler oder wirklich schädigende Handlungen zu leugnen und sie der „unreinen Wahrnehmung“ oder „unreinen Sicht“ der Schüler zuzuschreiben.)

In ihrem Bericht beschreibt Karen Baxter einen Rigpa-Manager, der für den Bericht assistierte, als „überwacht, feindselig und widersprüchlich“. Ein anderes hochrangiges Mitglied des Rigpa-Managementteams wurde von der Anwältin als „nicht bereit, Sogyal zur Verantwortung zu ziehen“ beschrieben.

Der Bericht kommt zum Schluss, dass es offensichtlich ist, dass einige leitende Angestellte innerhalb des Rigpa-Managements seit mindestens Mitte der 1990er Jahre ernsthafte Bedenken über Sogal Lakars Verhalten hatten und sie empfiehlt, dass die Rigpa-Führung nun überlegen sollte, welche Angelegenheiten offiziell der Polizei oder an andere relevante Regulierungsbehörden gemeldet werden sollten.

Baxters detaillierten Empfehlungen für das Rigpa Management, im Falle „dass der angemessene einzuschlagende Kurs darin besteht, Strukturen und Verfahren einzuführen, die sicherstellen, dass Rigpas Arbeit als Organisation auch in Zukunft fortgesetzt werden kann, ohne das Risiko, dass jemand zu Schaden kommt“, sind recht deutlich:

1. Sogyal Lakar sollte an keiner zukünftigen Veranstaltung von Rigpa teilnehmen oder anderweitig Kontakt mit Rigpas Schülern haben;

2. Rigpa sollte Schritte unternehmen, um sich so weit wie möglich von Sogyal Lakar zu distanzieren (unter Berücksichtigung aller rechtlichen Vereinbarungen, die die Organisation vorerst mit ihm verbinden könnten);

3. Die Rigpa-Leitung in jedem Land (die Vorstände oder gleichwertige Positionen) und das Vision Board sollten gegebenenfalls neu besetzt werden, um sicherzustellen,
a. dass deren Mitglieder Rigpa nicht mit den in diesem Bericht genannten schädigenden Ereignissen in Verbindung stehen und somit das Programm der erforderlichen Änderungen glaubhaft voranbringen können;
b. dass sich deren Mitglieder alle öffentlich dem Prinzip verpflichten, dass innerhalb von Rigpa Missbrauch von niemandem und gegen niemanden (einschließlich der Lehrer) toleriert wird, und
c. dass, wo immer möglich, einige Mitglieder der Leitung nicht mit der Schülerschaft verbunden sind; in Großbritannien zum Beispiel würden Laientreuhänder als solche anerkannt werden;

4. In jedem größeren Rigpa-Zentrum sollte ein professionelles Management eingesetzt werden und wo immer möglich sollten dem Managementteam einige Mitglieder angehören, die nicht Teil der Schülerschaft sind. Es sollte darauf geachtet werden, dass alle Mitglieder des Managements in der Lage sind, ihre Verantwortung wahrzunehmen und daran nicht gehindert werden, weil sie sich zum Beispiel verpflichtet fühlen, dem Guru „unerschütterlichen Respekt“ zu erweisen.

5. Es sollte eine angemessene Risikoeinschätzung, die das gesamte Tätigkeitsspektrum der Organisation einbezieht, durchgeführt und regelmäßig aktualisiert werden. Die Risikoeinschätzung sollte sich speziell mit Lehrpraktiken befassen, die mit dem Dzogchen-Mandala verbunden sind oder waren – es sollten sorgfältige, wohlüberlegte Entscheidungen über die zukünftige Verwendung solcher Praktiken in der Arbeit der Organisation getroffen werden. Um jeglichem Zweifel vorzubeugen, sollte eine Praxis, die dem Missbrauch eines Schülers gleichkommt, niemals toleriert werden.

6. Es sollten umfassende und schriftliche Schutzbestimmungen eingeführt werden, um sicherzustellen:
a. dass sexuelle Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern entweder komplett untersagt sind oder spezifischen Schutzmaßnahmen unterliegen, die sicherzustellen, dass kein Machtmissbrauch geschehen kann;
b. dass jegliche „Lama Care“, die für notwendig erachtet wird, auf eine Weise durchgeführt wird, die gewährleistet, dass die Gesundheit und Sicherheit jener, die diesen Dienst leisten, angemessen geschützt sind;
c. dass es klare Mechanismen für die vertrauliche Meldung von Bedenken gibt und dass sie für jene, die Bedenken haben, leicht zugänglich sind;
d. dass Berichte von Vorfällen und Vorwürfen auf sichere und angemessene Art und Weise festgehalten und aufbewahrt werden;
e. dass Vorfälle und Vorwürfe umgehend in Übereinstimmung mit den Bestimmungen untersucht werden und als Folge geeignete Maßnahmen ergriffen werden;
f. dass in Erwägung gezogen wird, schwerwiegende Vorfälle der zuständigen Strafverfolgungsbehörde und/oder Aufsichtsbehörde zu melden, und
g. dass Management und Leitung jeder Rigpa-Körperschaft sich ihrer Verantwortung bewusst und entsprechend geschult sind.

7. Zusätzlich zu den zur Verfügung gestellten internen Meldemechanismen sollte eine Missbrauchs-Helpline außerhalb von Rigpa eingerichtet werden.

8. Soweit dies noch nicht geschehen ist, sollte Rigpa seine Fundraising-Aktivitäten überprüfen, um sicherzustellen, dass diese den lokalen Gesetzen und Vorschriften entsprechen. Diese Überprüfung sollte insbesondere Kontexte einbeziehen, in denen Rigpa-Veranstaltungen wie Retreats von Dritten – z.B. externen Referenten – als Gelegenheit genutzt werden können, Gelder für andere Zwecke zu sammeln und/oder zu Sonderzahlungen in ihrem eigenen Namen aufzurufen. Es sollte absolute Klarheit über die ordnungsgemäße Verwendung all dieser Mittel herrschen.

9. Es sollte klare Vorgaben für die Einladung von Referenten und Lehrern festgelegt werden, die sicherstellen, dass sie sich der relevanten Richtlinien, einschließlich der Schutz- und Spendenbestimmungen, bewusst sind, bevor sie mit Schülern in Kontakt treten.

10. Soweit es mit den allgemeinen finanziellen Verpflichtungen von Rigpa vereinbar ist, sollte ein Fonds eingerichtet werden, um den von Missbrauch betroffenen Personen professionelle Beratung anbieten zu können.

11. Mit den Briefschreibern, Schülern und der weiteren Rigpa-Gemeinschaft sollte im Hinblick auf die oben genannten Schritte eine angemessene Kommunikation erfolgen. Zusätzlich zu einer ersten Mitteilung, in der Rigpas Verpfichtung, ein sicheres Umfeld für alle Schüler zu schaffen, und die dafür erforderlichen Schritte dargelegt werden, sollten regelmäßig aktuelle Informationen versandt werden, bis der Änderungsprozess abgeschlossen ist.

12. Die Rigpa-Leitung sollte (gegebenenfalls unter Hinzuziehung weiterer Berater) prüfen, inwieweit sie verpfichtet ist, die in diesem Bericht dargelegten Angelegenheiten den Strafverfolgungsbehörden oder den zuständigen Aufsichtsbehörden in der jeweiligen Gerichtsbarkeit zu melden.

Eine Erklärung von Rigpa, die am 5. September von Rigpas „Vision Board“ und allen seinen nationalen Vorständen veröffentlicht wurde, besagt: „Es tut uns sehr leid und wir entschuldigen uns für die Verletzungen, die von ehemaligen und gegenwärtigen Mitgliedern erfahren wurden.“
„Erfahren wurden“? Das heißt, es wird sich nicht für das Leid entschuldigt, das Sogyal Lakar oder Mitwisserinnen verursacht haben, sondern man entschuldigt sich (wie auch Sogyal Lakar selbst) lediglich für die Erfahrungen der Leidtragenden. Hier ist immer noch die Rigpa-Ideologie erkennbar, dass nicht die Handlungen von Sogyal Lakar als Täter oder von Rigpa Anhängern (die Missbrauch rechtfertigten, schön redeten, mittrugen, Opfer denunzierten, manipulierten, im Stich ließen oder glatt alles leugneten), Leid zugefügt haben, sondern, hier wird weiter die Sichtweise propagiert, das Schaden oder Leid eine rein individuelle Wahrnehmung oder Erfahrung ist, die primär nur mit dem Erfahrenden selbst aber nicht mit den Handlungen des Täters (oder dessen Komplizinnen) zu tun hat. Eine subtile Täter-Opfer Umkehr.

In einer Rundmail schrieb die Rigpa Direktorin von Deutschland, Gabriele Maaß, dass sich „Rigpa verpflichtet …, den Empfehlungen des Berichts zu folgen. Wir werden im Dialog und in Absprache mit unseren Mitgliedern entsprechende Schritte einleiten.“ Der Telegraph schreibt hingegen, Rigpa sei „committed to act upon all of the report recommendations“, „sich dazu verpflichtet, auf alle Empfehlungen des Berichts zu reagieren“ – d.h. nicht zwangsläufig, dass alle Empfehlungen umgesetzt werden.
Allerdings würde sich Rigpa explizit verpflichten, diejenigen aus den Führungsebenen zu entfernen, die durch den Skandal „beschmutzt“ sind. Dazu wurden bereits die ersten Schritte unternommen. Rigpa kündigte an, dass Patrick Gaffney, Domenique Side und Philipe Philippou ihre Ämter zum 1. November diesen Jahres niederlegen werden.

Ausführliche Details:

Der What Now Blog, betrieben von (ex-) Rigpa Schülerinnen, verfasste zwei Blog-Beiträge zur Sache:

Updates

Mitte September durchsuchte die französische Polizei den Rigpa-Tempel Lerab Ling in Frankreich. Dabei wurden einige Personen verhört, Dokumente zur Buchhaltung, notariell beglaubigte Dokumente sowie größere Mengen Bargeld, die gefunden wurden, beschlagnahmt. Bei den noch andauernden polizeilichen Ermittlungen, die bereits von 2016-2017 für ein Jahr durchgeführt wurden, wurden auch Informationen und Zeugnisse aus den 90er Jahren zu diesem Fall zusammengetragen. Jedoch wurde weder gegen Sogyal Rinpoche noch gegen den Tempel eine offizielle Beschwerde eingereicht. Die Ermittlungsakte befindet sich seit Februar 2018 im Büro des Staatsanwalts der Republik Montpellier. Es ist derzeit unklar, ob es eine Anklage gegen den Tempel oder zusätzliche Verhöre geben wird. Der Gründer des Zentrums, Sogyal Rinpoche, habe den Tempel vor ca. einem Jahr verlassen, wurde aus der Verwaltung des Tempels ausgeschlossen und lebe in Thailand, wo er wegen Krebs behandelt werden würde.

2. Shambhala (Sakyong Mipham Rinpoche) / Against The Stream (Noah Levine) / Dagri Rinpoche (FPMT)

© robertivanc | (CC BY-NC 2.0)

Der Fairness und Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass mittlerweile auch Shambhala und dessen Leiter, Sakyong Mipham Rinpoche, sich massiven Vorwürfen sexueller Gewalt und Machtmissbrauch ausgesetzt sehen. Mipham Rinpoche und Teile des Shambhala Managements traten mittlerweile zurück. Ebenso gibt es Vorwürfe gegen und den erzwungenen Rücktritt von Noah Levine, Gründer von Against the Stream (ATS) und Refuge Recovery (RR). Die Against the Stream Meditation Society sandte kürzlich einen Brief an ihre Gemeinschaften und annoncierte darin, dass die Zentren der Organisation geschlossen werden. Noah Levine schrieb einen Offenen Brief indem er sich einerseits entschuldigt, sich aber auch als Opfer der Entscheidung der Against the Stream Gemeinschaft darstellt.

Was die genauen Vorwürfe betrifft und wie die Reaktionen buddhistischer Organisationen, beschuldigter buddhistischer Lehrer und Schülerinnen auf diese neueren Enthüllungen sind, kann nunmehr einer Fülle von Artikeln, Stellungnahmen oder Blogs entnommen werden. Graswurzel-Initiativen wie Buddhist Project Sunshine, der What Now Blog, der How did it happen? Blog, OKC News, Beiträge in Medien, auf Blogs von Missbrauchs-Betroffenen oder von kritischen Schülerinnen sowie in buddhistischen Magazinen – allen voran Lion’s Roar in Kanada und Buddhismus Aktuell in Deutschland – bieten reichlich Insider-Material und Informationen sowie Sichtweisen zur kritischen Reflexion an.

Im Mai 2019 wird bekannt, dass Dagri Rinpoche sexuelle Belästigung vorgeworfen wird. Dagri Rinpoche ist ein hoch angesehener und hochrangiger buddhistischer Meister des Vajrayana, der u.a. in der FPMT (Foundation for the Preservation of the Mahayana Tradition) lehrt. Die FPMT suspendierte ihn – offiziell vorübergehend – von seiner Lehrtätigkeit innerhalb ihrer Organisation. »Eine Gruppe prominenter buddhistischer Nonnen, zu denen auch Jetsunma Tenzin Palmo, Bhikshuni Karma Lekshe Tsomo und Bhikshuni Thubten Chodron gehören, setzt sich dafür ein, dass eine unabhängige Organisation mit der Untersuchung beauftragt wird. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen wurde eine Petition gestartet, in der die FPMT aufgefordert wird, eine Untersuchung durch eine unabhängige Partei einzuleiten.« (Buddhismus aktuell)

Siehe auch
Updates
Updates Dagri Rinpoche / FPMT

3. Der 14. Dalai Lama trifft sich mit vier Missbrauchsopfern buddhistischer Lehrer in Rotterdam

Am Freitag, den 14. September 2018, traf sich der Dalai Lama – auf Basis einer Initiative von Rob Hogendoorn und Oane Bijlsma – mit vier Betroffenen von Missbrauch aus verschiedenen westlich-buddhistischen Gemeinschaften. Sie übergaben ihm zwölf Erfahrungsberichte und stellten vier Forderungen: 1. die Erfahrungsberichte persönlich entgegenzunehmen und auf einige ihrer Ideen zu antworten, 2. das Mind & Life Institut zu bitten, eine Konferenz zum Thema Sexualität und Missbrauch abzuhalten, 3. das Thema auf die Agenda der November-Konferenz der religiösen Führer aller Traditionen zu setzen und 4. erneut zu bestätigen, dass buddhistische Lehrer, genauso wie alle anderen, nicht über dem Gesetz stehen.

Laut Rob Hogendoorn und Oane Bijlsma soll der Dalai Lama alle vier Forderungen unterstützen. Die vier Betroffenen repräsentierten insgesamt zwölf Original-Unterzeichner einer Petition, die sexualisierte Gewalt, physische Gewalt oder emotionalen Missbrauch durch buddhistische Lehrer erfahren haben. Die zwölf Original-Unterzeichner der Petition stammen aus Australien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Holland, Österreich und den Vereinigten Staaten. Die Petition unterschrieben bisher mehr als 1.500 Menschen.

Ein Ergebnis des Treffens ist, dass der Dalai Lama versprach zu handeln und das Thema bei der November-Konferenz der religiösen Führer aller Traditionen anzusprechen. Tseten Samdup Chhoekyapa, ein Repräsentant des Dalai Lama in Europa, betonte am selben Tag, dass der Dalai Lama stets „konsequent solch unverantwortliches und unethisches Verhalten angeprangert hat.“

Associated Press (AP) und einige andere Medien berichteten über das Treffen. Unter anderem die New York Times und die Washington Post übernahmen die Berichte von AP.

Der Dalai Lama mit vier Unterzeichnern der Petition. | Bild: Marlies Bosch

Die vier Teilnehmer des 20-minütigen Treffens hatten gemischte Gefühle und eine Person war ein bisschen enttäuscht, berichtet AP. Die Nachrichtenagentur zitiert Oane Bijlsma: „Was wir von ihm wollen, ist, dass er sich sehr klar darüber ist, dass religiöse Führer in der tibetisch-buddhistischen Tradition nicht über dem Gesetz stehen. … Selbst wenn sie behaupten, dass ihre Tradition ein Verhalten unterstützt, das angeblich jenseits von Gut und Böse liegt, kann dies niemals der Fall sein.“ Damit spielt Oane Bijlsma auf eine Äußerung Dzongsar Khyentse Rinpoches an, der sich dahingehend äußerte, dass Vajrayana Lehrer über dem Gesetz stehen würden. Der Dalai Lama selbst vertritt diesen Standpunkt nicht. Exakt ein Jahr vor diesem Treffen, am 14. September 2017, äußerte sich der Dalai Lama auf einer Pressekonferenz in Frankfurt, dass er es begrüßt, wenn Lehrer (Gurus) für kriminelles Verhalten zur Verantwortung gezogen werden und eine Haftstrafe erhalten. Ein Zitat von Oane Bijlsma, das BCC news wiedergab, habe sie so nicht gesagt stellte sie auf Facebook klar. (Details siehe Diskussion hier…)

Ricardo Mendes, der als Kind körperlich misshandelt wurde und in einer buddhistischen Sekte, Ogyen Kunzang Choling (OKC), in Belgien aufwuchs, sagte, er sei erfreut, dass der Dalai Lama von den Berichten, die sie teilten, bewegt war. AP zitiert Mendes: „Er war wie: OK, jetzt habe ich vielleicht das Material. Ich habe echte Papiere, echte Geschichten von echten Menschen, die ich benutzen kann, um mit den Fingern in die buddhistische Landschaft zu zeigen und zu sagen: Dieser Typ, dieser Typ, dieser Typ benimmt sich so und du solltest ihnen nicht folgen, und das ist kein tibetischer Buddhismus.“

Am späten Samstagabend, so berichtet die Deutsche Welle, sagte der Dalai Lama gegenüber dem niederländischen Sender, NOS: „Ich kannte diese Dinge bereits, es ist nichts Neues.“¹ „Vor fünfundzwanzig Jahren … hat jemand über ein Problem sexueller Vorwürfe gesprochen“ und fügte hinzu, dass er sich dabei auf die Konferenz westlich-buddhistischer Lehrer unterschiedlicher Traditionen 1993 in Dharamsala bezieht. Laut Stephen Batchelor hat der Dalai Lama den Offenen Brief dieser Konferenz am Ende nicht mitunterschrieben aber aktiv an ihm mitgewirkt.² Während dieser Konferenz vor 25 Jahren äußerte sich der Dalai Lama klar und kritisch und ermutigte Schülerinnen an die Öffentlichkeit zu gehen:

Wenn man die Lehren klar präsentiert, ist dies zum Wohle anderer. Aber wenn jemand den Dharma lehren soll und sein Verhalten ist schädlich, ist es unsere Verantwortung, dies mit einer guten Motivation zu kritisieren. Das ist konstruktive Kritik, und man braucht sich dabei nicht unwohl zu fühlen. In „Die zwanzig Verse über das Bodhisattva-Gelübde“ heißt es, dass Handlungen gleich welcher Art frei von Schuld bleiben, die Sie mit einer reinen Motivation ausüben. Buddhistische Lehrer, die Sex, Macht, Geld, Alkohol oder Drogen missbrauchen, und die ihr Verhalten nicht korrigieren, wenn ihre eigenen Schülerinnen und Schüler sie mit legitimen Beschwerden konfrontieren, sollten offen und namentlich kritisiert werden. Das kann sie beschämen und veranlassen, ihr missbräuchliches Verhalten zu bedauern und zu beenden. Das Negative herauszustellen schafft Raum dafür, dass die positive Seite zunimmt. Wenn man ein solches Fehlverhalten veröffentlicht, sollte klargestellt werden, dass solche Lehrer den Rat des Buddhas nicht beachtet haben. Allerdings ist es nur fair, auch deren gute Qualitäten zu erwähnen, wenn man das ethische Fehlverhalten eines buddhistischen Lehrers oder einer buddhistischen Lehrerin öffentlich macht.

Auf genau diese Aussage beriefen sich die acht Rigpa-Schülerinnen und -Schüler als sie ihren Brief zu den schädigenden und  gewalttätigen Handlungen Sogyal Rinpoches verfassten.

Laut Radio Free Asia (RFA) gehören zu den tibetischen Lamas, die in der am Freitag vorgelegten Beschwerde genannt wurden: Rigdzin Namkha Rinpoche von der Schweizer Gemeinde Rigdzin; Tulku Lobsang, Gründer des Nangten Menlang Zentrums in Wien (Österreich); Sogyal Rinpoche von der Rigpa-Organisation, mit 130 Zentren in 30 Ländern und Robert Spatz (Lama Ogyen Kunzang Dorje), ein belgischer Staatsbürger, der spirituelles Oberhaupt und Leiter der buddhistischen Gemeinschaft von Ogyen Kunzang Choling (OKC) war.

Die Idee sich mit Betroffenen sexualisierter Gewalt zu treffen, eine aufklärende Mind & Life Konferenz mit Experten zum Thema einzuberufen begrüße ich, genauso wie die Übergabe der zwölf Erfahrungsberichte. Bezüglich Punkt vier der Forderungen habe ich allerdings Vorbehalte, zu denen ich mich auf Facebook und in einem Kommentar auf meinem englischen Blog kritisch äußerte.

Was die Kampagne langfristig bewirken wird, bleibt abzuwarten. In gewisser Weise machen hier Westler den Dalai Lama zum Papst des Tibetischen Buddhismus und hieven ihn auf das Podest einer endgültigen moralischen Autorität über andere. Weder ist der Dalai Lama aber eine Art Papst – er ist nicht einmal das Oberhaupt irgendeiner der tibetisch-buddhistischen Traditionen – noch sieht er sich als Richter oder ethische Kontrollinstanz über andere. Der Buddhismus ist generell wenig hierarchisch und eher anarchisch organisiert. Die Verantwortung wird hauptsächlich beim Einzelnen gesehen. Zudem steht der Dalai Lama unter Tibetern mit seiner Offenheit und Direktheit zu diesem Thema seit Jahrzehnten allein auf weiter Flur. Ob es klug ist, ihn so vor den Karren einer Kampagne zu spannen, ist fragwürdig. Das US Magazin Tricycle kommentiert: „Obwohl der Dalai Lama als spiritueller Repräsentant des Tibetischen Buddhismus gilt und seine Stimme einflussreich ist, ist seine Autorität begrenzt. Seine Unterstützung wäre ein wichtiger Sieg in der Öffentlichkeitsarbeit, würde aber keine konkreten Veränderungen für buddhistische Institutionen auf der ganzen Welt gewährleisten.“ Die Einschätzung von Tricycle deckt sich im Wesentlichen mit dem, was der Dalai Lama auch selbst sagt:

Weil Studenten neu im Buddhismus sind, mögen sie blinde Hingabe und Gehorsam gegenüber spirituellen Mentoren haben. Wenn sie von dem großen Verdienst erfahren, den sie durch das Darbringen von Gaben an spirituelle Mentoren erhalten, kann es sein, sie geben viele Spenden und Geschenke – Dinge, die jemand, der in Indien lebt, nicht haben würde. Der Lehrer wird durch die Gaben und die Wertschätzung der Schüler verwöhnt und wenn er nicht vorsichtig ist, könnte dies dazu führen, dass er wohlmeinende Schüler ausnutzt.

Ich habe viele Briefe von Menschen aus anderen Ländern erhalten, in denen ich gebeten wurde, etwas dagegen zu tun, aber es liegt nicht in meiner Kontrolle. Der tibetische Buddhismus ist nicht so organisiert wie die katholische Kirche mit einem Papst und der vatikanischen Verwaltung. Ich kann niemanden nach Indien zurückbringen oder ihn zwingen, keine Robe mehr zu tragen. Wenn ich unterrichte, gebe ich klare Anweisungen über angemessenes Verhalten für Lehrer, sowohl für Mönche als auch für Laien. Wenn die Leute dann nicht auf mich hören, ist es zweifelhaft, ob sie Anweisungen meines Büros oder der Abteilung für religiöse und kulturelle Angelegenheiten befolgen werden ….³

Update

In einem Beitrag von Lion’s Roar wird Oane Bijlsma zitiert: „Ich bin glücklich. … Wir wollten einfach, dass dies bekannt ist.“ Der Dalai Lama „war sehr klar über die drei Punkte unserer Petitionen.“ Laut Bijlsma „stimmte [der Dalai Lama] mehr oder weniger sofort zu, dass es ein sehr guter Plan ist, dies auf die Tagesordnung des Treffens [der religiösen Führer aller Traditionen im November 2018] in Dharamsala zu setzen. Er stimmte auch zu, es sei ein guter Plan, dies zu einem Schwerpunktthema während einer Mind & Life Konferenz zu machen … [und] er sagte, dass kein tibetischer Lehrer über dem Gesetz steht. Er hat das bestätigt.“

Lion’s Roar weiter:

Bijlsma sagte, obwohl die formale Autorität des Dalai Lama als buddhistischer Lehrer hauptsächlich auf die Gelug-Schule des tibetischen Buddhismus beschränkt sei, suchten die Bittsteller seine Unterstützung, weil er weithin als ein weltweiter Führer und Repräsentant des tibetischen Buddhismus betrachtet wird.

„Wann immer sein Bild mit einem der anderen tibetischen Führer gemacht wird, wird es als ein Stempel der Qualität angesehen“, sagte Bijlsma. „Bei unserem Treffen hatte ich den Eindruck, dass er nicht erkennt, welchen Einfluss er hat.“

Der Dalai Lama wurde kritisiert, weil er sich mit Lehrern in Verbindung gebracht hat, denen später Fehlverhalten vorgeworfen wurden. In einer Pressekonferenz am Samstag sagte der Dalai Lama, er wisse schon seit 1993 von Anschuldigungen gegen buddhistische Lehrer.

In dem Treffen wiederholte der Dalai Lama erneut seinen Rat, dass Überlebende von Missbrauch durch buddhistische Lehrer ihre Erfahrungen veröffentlichen sollten. Bijlsma sagt, er sagte ihnen, dadurch, dass sie an die Öffentlichkeit gegangen sind, „habt ihr mir Munition gegeben“.

Siehe auch
Update November 2018
Updates 2019

4. Deutsche Buddhistische Union (DBU)

Auch im Rat der Deutschen Buddhistischen Union (DBU) scheint sich nach der DBU Mitgliederversammlung Ende April diesen Jahres im Europazentrum des Diamantwegs in Immenstadt ein Wandel und ein Umdenken in Bezug auf Missbrauch in buddhistischen Gemeinschaften als auch in Bezug auf islamfeindliche (strukturell-rassistische) Aussagen Ole Nydahls vollzogen zu haben. (Für Details und weiterführende Informationen siehe Updates April-Juli 2018)

Handlungen und Ergebnisse werden zeigen, wie nachhaltig diese Änderungen sind. Persönlich bin ich mittlerweile leicht optimistisch gestimmt. Dieser Optimismus stützt sich auf meinen Eindruck, dass zumindest im Denken einiger, mit denen ich sprechen konnte, sich wirklich etwas geändert zu haben scheint und sich diese Änderungen in Handlungen beobachten lassen.

Leider war die DBU Mitgliederversammlung Ende April 2018 in Immenstadt in Bezug auf Aufklärung zum Thema Missbrauch aus meiner Sicht eine ziemliche Katastrophe. Betroffene oder Expertinnen – wie Anwälte, Psychologinnen oder Wissenschaftlerinnen mit einer entsprechenden Ausbildung – kamen nicht zum Thema sexualisierte Gewalt oder Machtmissbrauch zu Wort. Stattdessen beauftragte die DBU Führung Vertreter von Rigpa, Triratna, Shambhala und Diamantweg die Delegierten über diese Themen aufzuklären, also vier Organisationen, die entweder in Machtmissbrauch und Indoktrination oder das Schönreden von sexuellen Handlungen zwischen Lehrern und Schülern oder aktiv in Handlungen sexualisierter Gewalt involviert sind und diese bisher gerechtfertigt, verneint oder verschwiegen haben – oder immer noch gut heißen.

Wirklich weh tat mir bei der DBU Mitgliederversammlung (MV) der Vortrag der Triratna Vertreterin, Munisha, die konsequent von „Partnern“ bzw. „Ex-Partnern“ sprach statt von Opfern sexuellen Missbrauchs oder sexueller / sexualisierter Gewalt, von „Experimentation“ (Experimentieren) statt manipulierte sexuelle Ausbeutung sprach und den Missbrauch der „sexuellen Revolution“ statt einer existenten, perfiden Indoktrinationskultur zuschrieb. (Für eine detaillierte Analyse und Auswertung diesbezüglich siehe mein englischer Artikel: Clergy Sexual Abuse & Buddhist Ways of Dealing with Abuse | Triratna’s Whitewashing Terminology)

Für mich ist eines der positiven Ergebnisse der DBU MV die Wiederbelebung bzw. Neugründung der Ethik Arbeitsgemeinschaft zur Erstellung einer Ethik Charta und Schaffung eines Ethik-Rates. Auch wurde durch die DBU MV beschlossen, dass Ombudsleute für Missbrauchsopfer zu benennen sind. (Bis heute gibt es jedoch noch keine offiziellen Ansprechpartner / Ombudsleute bei der DBU an die sich Betroffene von Machtmissbrauch oder sexualisierter Gewalt wenden können.)

Ebenso positiv sehe ich die Wiederaktivierung der Struktur Arbeitsgemeinschaft innerhalb der DBU, den Auftrag der Delegierten an den Rat der DBU Stellungnahmen zu relevanten Themen zu verfassen, die Aufforderung und das Schaffen von Strukturen, die zu mehr Transparenz in der Ratsarbeit der DBU führen – wie z.B. das Erstellen von Ergebnisprotokollen von Ratssitzungen, die von allen Mitgliedsgemeinschaften eingesehen werden können oder auch der Beschluss, einen ständigen Sitz (ohne Stimmrecht allerdings) für einen Delegierten der Einzelmitglieder bei den Ratssitzungen zu installieren.

Auch wurde nunmehr das Konsensprinzip bei Ratsentscheidungen aufgehoben. Wie zu ahnen war, wurde dies eben auch genutzt, um Entscheidungen, die für eine Mehrheit der DBU Mitgliedsgemeinschaften wichtig oder in ihrem Interesse lagen, aus Eigeninteresse oder Parteilichkeit zu blockieren.

All das finde ich wirklich sehr begrüßenswert. Aus meiner Sicht, Erfahrung und Beobachtung litt der Rat der DBU selbst unter ungesunden Strukturen, die mit Informationskontrolle, Einschüchterung, Geheimhaltung, Intransparenz, Parteilichkeit, Desinformation und der Ausgrenzung kritischer Stimmen einher gingen. Das wurde für mich auch auf der DBU MV offenbar. Gut, wenn sich das nun auflöst, schon aufgelöst hat bzw. ausgehebelt wird / wurde.

Der Rat der DBU veröffentlichte am 9. September eine ausführliche Stellungnahme zu mehreren Offenen Briefen:

Update

5. Ole Nydahl: Stellungnahme des Rates der DBU + Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen

© Dialog Center Images | Lama Ole Nydahl, June 30 1989 | (CC BY-SA 2.0)

Laut mehrerer Presseberichte leitete die Staatsanwaltschaft Kempten nach dem Sommerkurs 2018, den Ole Nydahl im Europazentrum des Diamantwegs in Immenstadt gab, Vorermittlungen wegen Volksverhetzung gegen Ole Nydahl ein. Die Staatsanwaltschaft Kempten „überprüft nun die Aussagen auf den Tatbestand der Volksverhetzung“ berichtete der Bayrische Rundfunk.⁴ Nydahl „soll wiederholt gegen den Islam gehetzt und rechte politische Bewegungen gelobt haben.“⁴

Ein ehemaliger Schüler Nydahls berichtete zudem der Augsburger Allgemeinen, Nydahl habe auf die Frage, wie man sich gegen den Islam wappne, vor hunderten Zuhörern gesagt: Learn how to shoot (Lerne zu schießen).

Der Rat der DBU gab zu diesen Vorwürfen eine Stellungnahme ab. Darin erklärt der Rat:

Es ist mit den Grundsätzen der buddhistischen Ethik, insbesondere mit denen der heilsamen Rede, vollständig und in jeder Hinsicht unvereinbar, Angehörige einer anderen Religion pauschal herabzusetzen, sie zu diffamieren, zu Hass und Ablehnung oder gar zu Gewalt gegen sie aufzurufen.

Falls sich die Vorwürfe als zutreffend herausstellen sollten, wäre für den Rat „eine neue Qualität der Unvereinbarkeit mit den Maßstäben der buddhistischen Ethik erreicht.“ Dies würde verbandspolitische Konsequenzen haben, die „zunächst vom Rat der DBU und sodann von der Mitgliederversammlung zu beschließen sein werden.“

Der Rat betont, dass es zwar frühere Aussagen Ole Nydahls gäbe, in denen er sagt,

dass er nicht generell gegen den Islam eingestellt sei, sondern lediglich gegen Gruppierungen, die nach seiner Auffassung nicht an einem friedlichen und toleranten Zusammenleben interessiert sind. Solche Differenzierungen kommen in der Öffentlichkeit aber offenbar nicht an oder werden nicht wahrgenommen. Es besteht daher ein dringender Bedarf seitens Ole Nydahls, sich im Sinne der buddhistischen Ethik unmissverständlich zu positionieren.

Trotz der erfreulichen Klarheit einiger Passagen der Stellungnahme des Rates der DBU, macht sich aus meiner Sicht der Rat, wieder einmal, diesmal allerdings nur teilweise, die Argumentation Nydahls bzw. der Diamantweg-Führung zu eigen und übersieht, dass Nydahls Aussagen bezüglich Islam in der Regel so gut wie immer pauschalisierend sind und wenn es zu Differenzierungen kommt, dann meist nur nachgeschoben und mit dem Ziel, die entstandene öffentliche Empörung zu beruhigen.

In der Stellungnahme des Rates heißt es, man wolle „dem Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht vorgreifen.“ Die Staatsanwaltschaft Kempten stellte nun die Vorermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen Nydahl ein. Pressesprecher Bernhard Menzel teilte mit, dass die Staatsanwaltschaft die Äußerungen als von der Meinungsfreiheit gedeckt einstuft.⁵

Während Immenstädter Stadträdte die islamfeindlichen Äußerungen Ole Nydahls kritisieren – CSU Fraktionschef Thomas Wurmbäck sieht „verfassungsfeindliche Tendenzen“ – verteidigt die Gemeinschaft des Europazentrums Ole Nydahls Aussagen zum Islam in einem offenen Brief. Die Äußerungen stünden nicht im Gegensatz zu buddhistischen Werten und seien im Einklang mit den Werten von Demokratie und Meinungsfreiheit. Dass die Diamantweg-Gemeinschaft sich nicht von Ole Nydahls islamfeindlichen Äußerungen distanziert, stieß bei den Immenstädter Stadträten auf Kritik. Bürgermeister Armin Schaupp betonte: „Wir haben hier in Immenstadt mit allen Religionen ein sehr gutes Miteinander.“ Dies lasse man sich durch Ole Nydahl nicht kaputt machen.⁶ Die SPD, die Grünen und eine gut vernetzte Privatperson aus Immenstadt sandten der DBU Emails, in denen sie den Ausschluss des Diamantwegs (BDD) aus der DBU fordern.

In der oben zitierten Stellungnahme des Rates der DBU, teilt der Rat mit, dass die verbandspolitischen Folgerungen davon abhängen, ob sich die erhobenen Vorwürfe als zutreffend herausstellen. Die Frage ist nun, ob die durch die Augsburger Allgemeine wiedergegebenen Zitate zutreffend sind und wie der Rat und die Mitgliederversammlung der DBU ingesamt reagieren werden, sowie welche Auswirkungen das Einstellen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Nydahl auf die Verbandspolitik hat. Hier wird es sicher noch einige Diskussionen geben, denn nicht alles was durch das Recht (z.B. Meinungsfreiheit) gedeckt ist, ist zwangsläufig mit buddhistischer Ethik oder buddhistischer Wertevorstellung bzw. der Satzung, dem buddhistischen Bekenntnis und dem Leitbild der DBU vereinbar.

Laut Allgäuer Anzeigenblatt folgten der Einladung des Europazentrums zu einem nicht-öffentlichen Gespräch auf Gut Hochreute bei Immenstadt nur wenige:

Nach den Turbulenzen um ihren Lama Oie Nydahl hatten die Buddhisten Stadt- und Kreisräte sowie kirchliche Vertreter und Nachbarn zum Besuch oberhalb des Großen Alpsees gebeten. Allerdings kamen nicht einmal zehn Personen. Wie von den Teilnehmern zu hören war, distanzierten sich die Vertreter des Zentrums nicht direkt von den islamfeindlichen Äußerungen des Lamas.

Stattdessen hätten sie darauf verwiesen, Nydahl habe bei seinem Vortrag vor mehr als tausend Anhängern in dem betreffenden Teil seiner Rede als Privatmensch gesprochen und nicht als Führungsperson des Diamantwegs.⁷

Die Begründung des Europazentrums, Ole Nydahl habe sich als Privatperson geäußert, hat keine rechtliche Basis. Eine Seminar- oder Kursveranstaltung, in der auch fremde Personen anwesend sind, ist nie privat, sondern immer öffentlich.

Updates

An Saka Dawa, dem 17.6.19, trat der BDD aus der DBU aus.
Details hierzu:

6. Einige neue Artikel zum Thema sexueller Missbrauch (sexualisierte Gewalt)

Journalistische Beiträge von Anna Sawerthal greifen in österreichischen Publikationen, Datum und Standard, einige bisher unbekannte Missbrauchsfälle auf, wie den der „Kinder von OKC“ (Ogyen Kunzang Choling) und den Fall des tibetischen Lehrers Rigdzin Namkha Rinpoche:

Medial wurde der Fall des „Zen Meisters“ Thich Thien Son („Thay“) aufgearbeitet. Hier einige Presseberichte:

Leider wurde dem minderjährigen Betroffenen juristisch keine Gerechtigkeit zuteil. Opferanwalt Wolfgang Steffen, ein ehemaliger Richter, vertritt den damals zwölfjährigen Geschädigten. Steffen akzeptiert die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht und will nicht aufgeben. Als Richter hatte Steffen zahllose Prozesse geleitet, u.a. das Verfahren um den fünffachen Mord an einer türkischen Familie durch Rechtsextreme in Solingen. Laut Weinheimer Nachrichten hat er sich nach seiner Pensionierung ganz bewusst als Opfer-Anwalt spezialisiert.

Auch den missbrauchten „Kindern von OKC“ wurde juristisch keine Gerechtigkeit zuteil. In einem Facebook Post teilten sie am 18.09.2018 mit, dass der Prozess wegen „Formsachen“ gescheitert sei. In einem früheren Gerichtsprozess wurde Robert Spatz  zu vier Jahren auf Bewährung verurteilt. Im neuerlichen Gerichtsprozess engagierten sich mehrere Anwälte für ingesamt 23 Parteien. Sie taten dies laut Aussage einer Betroffenen unter großen Aufwand und großem finanziellen Risiko. Obzwar die Betroffenen eine Fundraising Kampagne starteten, würden die geschätzten Kosten von ca. 50.000 – 70.000 € nicht gedeckt werden können. Die Anwälte nahmen das Mandat trotzdem an.

Lama Willa Miller, selbst von ihrem Lehrer, Lama Norlha Rinpoche, in eine sexuelle Beziehung manipuliert, beschrieb für das kanadisch-buddhistische Magazin Lion’s Roar ihre Erfahrungen, Beobachtungen, die Phasen der Verneinung, des Erwachens und der Heilung von missbräuchlichen Beziehungen (bzw. sexualisierter Gewalt). Sie macht auch konkrete Vorschläge, was Buddhisten ändern müssten, um Missbrauch in ihren Gemeinschaften zu verhindern. Ihr englischsprachiger Artikel liegt nun in deutscher Sprache vor:

Mechthild Klein berichtete für die EZW wie Buddhisten sich in Hamburg dem Thema Missbrauch stellten und und interviewte den Tibetologen Jan-Ulrich Sobisch zum Thema wie sexuelle Aktivitäten in den Buddhismus kamen:

Update Januar-Februar 2019
Updates 2019

7. Forschung zum Thema Missbrauch in buddhistischen Gemeinschaften

Im August 2018 begann ein dreijähriges Forschungsprojekt unter Leitung von Dr. Miriam Anders an der Ludwig-Maximilians-Universität München, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.

Das Projekt hat als Gesamtziel die Bewahrung des in der Tibetischen Medizin überlieferten Wissens und ihrer Grundlagen in der Buddhistischen Philosophie. Es gliedert sich in drei zentrale Aspekte:

  1. Übersetzungen von Interviews mit Ärzten und Ärztinnen der Tibetischen Medizin
  2. Gesundheit und Ressourcen von Seminarteilnehmern in buddhistischen Zentren
  3. Wissenstransfer, Aus- und Fortbildung

In Rahmen dieses Forschungsprojekts wird die psychische Befindlichkeit und Gesundheit von buddhistischen Seminar- und Meditationsgruppenteilnehmer/inne/n untersucht und Interviews mit von Manipulation, Ausbeutung oder Missbrauch Betroffenen in diesem Kontext durchgeführt. Details demnächst auf http://www.transtibmed.ethnologie.lmu.de abrufbar. Links zum Ausfüllen von deutsch- oder englischsprachige Fragebögen können unter der E-Mail: Miriam.Anders@campus.lmu.de angefordert werden. Es werden etwa drei Jahre lang immer wieder neue Fragebögen angeboten. Interviews werden an verschiedenen Orten geführt (Wien, München etc.). Termine können unter derselben E-Mail Adresse vereinbart werden.

Updates

Fußnoten

¹ Gemeint ist hier aller Wahrscheinlichkeit nach Sogyal Rinpoche bzw. dass es ethisches Fehlverhalten gibt. Thema der Konferenz war der Umgang mit ethischem Fehlverhalten und Missbrauch durch buddhistische Lehrer. (siehe: WBTC 93 + Vorsicht bei der Wahl spiritueller Lehrer)
² Stephen Batchelor: „Confession of a Buddhist atheist“, S. 204, Spiegel & Grau Taschenbuch
³ The Dalai Lama and Thubten Chodron, „The foundation of Buddhist Practice“, S. 119, 2018
⁴ Buddhisten-Prediger: Justiz prüft Islamkritik – Bayrischer Rundfunk,
Umstrittener Hitlervergleich: Ermittlungen gegen islamkritischen Buddhisten aus Immenstadt – Bayerischen Rundfunk
Die Staatsanwaltschaft Kempten teilt auf Anfrage am 9. August 2018 mit: „Die Staatsanwaltschaft Kempten hat ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob Äußerungen mit strafrechtlicher Relevanz gefallen sind. Unter anderem wird zu prüfen sein, ob der Straftatbestand der Volksverhetzung verwirklicht wurde.“
⁵ Verfahren gegen Lama Ole Nydahl eingestellt (PDF) – Allgäuer Anzeigeblatt, Nr. 219, vom 22. September 2018
⁶ „Damit wollen wir nichts zu tun haben“ (PDF) – Allgäuer Anzeigeblatt, Nr. 218, vom 21. September 2018, S. 29; siehe auch: weitere kritische Leserzuschriften (PDF)
⁷ IMMENSTADT: Buddhisten: Wenig Resonanz bei Infogespräch (PDF) – Allgäuer Anzeigeblatt, Nr. 221, 25. September 2018

Letzte Änderungen: 23/08/19



Einige Updates zum Thema Missbrauch in buddhistischen Gemeinschaften & zu anderen Kontroversen

4 Gedanken zu „Einige Updates zum Thema Missbrauch in buddhistischen Gemeinschaften & zu anderen Kontroversen

  • 8. August 2019 um 14:51 Uhr
    Permalink

    Endet der Fall Sogyal auch wieder als „heiße Luft“ (wie etwa die Fälle Shimano und Sasaki)? Siehe hier, Appendix 1 (S. 156): https://www.unafei.or.jp/publications/pdf/GG6/05-7_Thailand.pdf
    Dieses Abkommen mit Frankreich reicht ggf. aus, um Sogyal auszuliefern, der Weg über Frankreich ist also wohl vielversprechender als der über Deutschland (wenn auch nicht der über England). Aber dazu müsste etwas Handfestes vorliegen. Nun? Es gibt ja inzwischen das Buch „Sex and Violence“ von Finnigan/Hogendoorn über Sogyals Fall, und auch da wird wild spekuliert, dass Sogyals Thailand-Aufenthalt wie eine Flucht an einen sicheren Ort erscheint. Das ist Quatsch, das sind Märchen aus dem Boulevardfernsehen. Der bekannte Buddhologe John McRae ist ebenfalls, wenn auch erfolglos, nach Bangkok gereist, um sich einer speziellen Krebsbehandlung (Bauchspeicheldrüse) zu unterziehen. Es gibt also noch andere Gründe, in dieses Land zu kommen.

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  • 16. September 2020 um 14:10 Uhr
    Permalink

    UPDATES 2020:

    Anders, A.I.M (2020). Psychological and Societal Implications of Projecting the Shadow on the Feminine in Tibetan Buddhist Contexts DOI: https://www.intechopen.com/online-first/psychological-and-societal-implications-of-projecting-the-shadow-on-the-feminine-in-tibetan-buddhist, in Psychosomatic Medicine (IntechOpen)

    Ausgabe Persönlichkeitsstörungen Theorie und Therapie 3/2020 Glaube, Religion und Sekten erscheint am 28.9.2020: Anders, A. I.M & Utsch, M. (2020). Missbrauch in religiösen Gemeinschaften anhand von Fallbeispielen buddhistischer Gruppen. Persönlichkeitsstörungen Theorie und Therapie 3/2020 Glaube, Religion und Sekten, 24(3), 222 – 238, Stuttgart: Klett-Cotta Verlag. DOI 10.21706/ptt-24-3-222
    (Nach drei Monaten ist der Artikel open access verfügbar.)

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  • Pingback:»Buddhismus: Missbrauch im Namen der Erleuchtung« – Eine ARTE Dokumentation – Buddhismus kontrovers

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